Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung bei Anwendung eines Tarifvertrages aufgrund betrieblicher Übung
Leitsatz (amtlich)
Gewährt der Arbeitgeber tarifliche Leistungen unabhängig von der Gewerkschaftsangehörigkeit an sämtliche Arbeitnehmer kraft betrieblicher Übung, so haben die nicht organisierten Arbeitnehmer nach Ablauf des gekündigten Tarifvertrages im Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG Anspruch auf Weitergewährung kraft betrieblicher Übung.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 19.06.1997; Aktenzeichen 2 Ca 953/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 19.06.1997 – 2 Ca 953/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der nicht tarifgebundene Kläger ist seit dem 01.01.1973 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter mit einem tariflichen Monatsgehalt in Höhe von zuletzt 7.138,– DM brutto nach Verg.-Gr. K 7 beschäftigt. In § 2 seines Anstellungsvertrages vom 06.11.1972 heißt es:
„Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart werden kann und vereinbart worden ist, unterliegt das Arbeitsverhältnis der Betriebsordnung der Gesellschaft, die in der Anlage beigefügt ist, den Betriebsvereinbarungen und – gemäß deren persönlichen Geltungsbereich – den einschlägigen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, insbesondere dem Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiete der Bundesrepublik Deutschland.”
Die tarifgebundene Beklagte hatte seit Jahren an sämtliche Mitarbeiter ihrer D. Niederlassung unabhängig von ihrer Tarifbindung mit dem Novemberentgelt ein 13. Monatseinkommen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.04.1990 gezahlt. Nach § 2 dieses Tarifvertrages beträgt das 13. Monatseinkommen ab 01.01.1992 100 v. H. des Tarifgehalts.
Nachdem dieser Tarifvertrag zum 31.10.1996 gekündigt worden war, hat die Beklagte mit den Monatsbezügen für den Monat November 1996 an ihre Mitarbeiter ebenfalls unabhängig von ihrer Tarifbindung nur 2/3 des 13. Monatseinkommens gezahlt. An den Kläger zahlte sie 4.759,– DM brutto. Mit der vorliegenden Klage begehrt er Zahlung des restlichen Drittels in Höhe von 2.379,– DM brutto.
Er stützt sein Klagebegehren zunächst auf § 2 seines Anstellungsvertrages in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes und vertritt hierzu die Auffassung, die Ansprüche nach diesem Tarifvertrag bestünden auch, nachdem der Tarifvertrag gekündigt worden sei. Die Nachwirkung dieses Tarifvertrages sei nicht allein auf die organisierten Arbeitnehmer beschränkt.
Weiter stützt der Kläger sein Klagebegehren auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung und hat hierzu vorgetragen:
Er habe unstreitig über Jahre hinweg ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld erhalten. Zu keiner Zeit sei ihm hierbei verdeutlicht worden, er erhielte das Weihnachtsgeld nur unter dem Vorbehalt der Geltung des Tarifvertrages ohne Nachwirkungsfristen. Einen solchen Vorbehalt hätte die Beklagte erklären müssen, was indessen nicht geschehen sei. Da die Beklagte bei der Gewährung von tariflichen Leistungen niemals zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern unterschieden habe, habe der Kläger für den Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG einen Anspruch auf Gewährung der Leistungen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes, solange für die Gewerkschaftsmitglieder die Nachwirkung gelte.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.379,– DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag ab dem 01.01.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf ein restliches tarifliches 13. Monatseinkommen in Höhe von 2.379,– DM brutto nicht zu.
Nachdem der einschlägige Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.04.1990 zum 31.10.1996 wirksam gekündigt worden sei, habe diese Kündigung die Entstehung eines tariflichen Anspruchs per 30.11.1996 (Stichtag) verhindert.
Auch der Anstellungsvertrag vom 06.11.1972 scheide als Anspruchsgrundlage aus. In dessen § 2 heiße es zwar, daß das Arbeitsverhältnis den einschlägigen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung unterliege. Nachdem nicht nur die ursprüngliche Fassung des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens vom 27.04.1990, sondern auf die Neufassung vom 23.06.1995 durch die Kündigung per 31.10.1996 außer Kraft getreten und nicht durch eine weitere Neufassung ersetzt worden sei, habe es am 30.11.1996 keine gültige Tarifvertragsfassung gegeben. Wie aus dem Vertragswortlaut hervorgehe, erstrecke sich die Übernahmevereinbarung nicht auf ersatzlos außer Kraft getretene Tarifverträge, die im Fall beiderseitiger Tarifgebundenh...