Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Müllwerkers wegen seines Verhaltens in einem Unterhaltsprozess

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine - unterstellt - unrichtige eidesstattliche Versicherung in einem Unterhaltsprozess vermag die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Müllwerkers nicht zu rechtfertigen, wenn das Prozessverhalten in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten steht und die Tatsache, dass der Arbeitgeber gleichzeitig Prozessgegner ist, nur darauf beruht, dass er als kommunale Gebietskörperschaft einen auf ihn als zuständigen Träger der Sozialhilfe übergegangenen Unterhaltsanspruch geltend gemacht hat.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 30.06.2016; Aktenzeichen 2 Ca 7/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30.06.2016 - 2 Ca 7/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der am 16.12.1977 geborene Kläger ist seit 01.06.2004 bei der beklagten Stadt, die weit mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Müllwerker gegen ein Bruttoentgelt von zuletzt € 2.400,00 monatlich tätig. Er ist unverheiratet, lebt im Gemeindegebiet der beklagten Stadt und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder (Sohn und Tochter). Beide Kinder leben bei ihren jeweiligen Müttern.

Als örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe i.S.d. SGB XII gewährte die Beklagte dem Sohn des Klägers ab Mai 2013 ergänzende Sozialhilfeleistungen. In diesem Zusammenhang verschickte sie an die damalige Wohnanschrift des Klägers auf der I. straße 25 eine auf den 27.05.2013 datierende Mitteilung, mit der sie ihm die Gewährung von Sozialhilfeleistungen an seinen Sohn gemäß § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII schriftlich anzeigte und ihn zur Erstattung aufforderte (sog. Rechtswahrungsanzeige). Ob dem Kläger die gegen Übergabeeinschreiben zugesandte Anzeige zuging, ist unter den Parteien bis zuletzt streitig.

Zum 30.06.2014 zog der Kläger innerhalb des Gemeindegebiets von der I. straße 25 zur I. straße 70 um und meldete dies u.a. auch der Beklagten. An der neuen Adresse existierte kein separater Briefkasten für den Kläger. Vielmehr wurde die Post für alle Bewohner des Mehrfamilienhauses durch einen Schlitz eingeworfen und landete sämtlich im Hausflur.

Da der Kläger auf die Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 nebst Zahlungsaufforderung nicht gezahlt hatte, leitete die Beklagte beim zuständigen Amtsgericht Hagen das Mahnverfahren ein. Der Kläger legte gegen den am 30.07.2014 zugestellten Mahnbescheid keinen Widerspruch ein. Daraufhin erging unter dem 22.08.2014 Vollstreckungsbescheid über einen Gesamtbetrag von € 3.346,80, gegen den der Kläger zunächst ebenfalls keinen Einspruch einlegte. Dies geschah erst mit Schreiben vom 20.10.2014, mit dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers sogleich auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumnis beantragte. Zur Glaubhaftmachung legte er eine vom Kläger unterzeichnete, auf den 20.10.2014 datierende eidesstattliche Versicherung vor, in der dieser unter anderem erklärte:

"Ich kann definitiv ausschließen, dass in den zu meiner Wohnung gehörenden Briefkasten seitens des AG Hagen Briefe eingelegt wurden. Dies wäre mir sicherlich gut in Erinnerung, da mir seitens des Rechtsanwalts gesagt wird, dass grundsätzlich Mahn- und Vollstreckungsbescheidsanträge förmlich zugestellt werden. Eine solche förmliche Zustellung hab ich nicht vorgefunden.

Ich habe erstmals davon erfahren, dass gegen mich ein Verfahren seitens der Stadt Dinslaken beim AG Hagen anhängig ist durch die Rechnung der Oberjustizkasse Hamm vom 02.10.2014, worauf hin ich mich sofort an Herrn RA T. gewandt habe."

Das nunmehr zuständige Amtsgericht Dinslaken/Familiengericht gewährte dem Kläger mit Beschluss vom 05.02.2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und hob den Vollstreckungsbescheid mit Beschluss vom 04.09.2015 - abgesehen von einem geringen Teilbetrag von € 180,00 - auf. Den Antrag der Beklagten, den Vollstreckungsbescheid in voller Höhe aufrechtzuerhalten, wies das Amtsgericht mit der Begründung zurück, dass die Beklagte für den Zugang der Rechtswahrungsanzeige beweisfällig geblieben sei. Die Beklagte entschied sich, gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Dinslaken Beschwerde beim OLG Düsseldorf einzulegen und bemühte sich beim Mahngericht um Nachweise über die Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid. Hieraufhin erhielt sie vom Amtsgericht Hagen am 14.10.2015 den die Mahnsache betreffenden Aktenausdruck gemäß §§ 696 Abs. 2 ZPO. Ausweislich dieses Aktenausdrucks, wegen dessen vollständigem Inhalt auf die von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 22.12.2015 als Anlage 6 vorgelegte Kopie verwiesen wird, wurden beide Bescheide jeweils gegen Zustellungsurkunde unte...

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