Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 03.04.1990; Aktenzeichen 1 Ca 158/90) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19.04.1990 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 03.04.1990 – 1 Ca 158/90 – wird zurückgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Der Gegenstandswert wird für die Beschwerdeinstanz auf DM 10.500,– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der nach seinen Angaben 49-jährige Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 05.10.1970 gegen einen monatlichen Bruttolohn von DM 3.500,– als Dreher tätig gewesen. Er ist verheiratet und einem Kinde unterhaltspflichtig.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit ihrem Schreiben vom 29.01.1990 (vgl. Abl. Bl. 6) zum 31.03.1990. Die Zusendung dieses Schreibens erfolgte per Post als Einschreibesendung mit Rückschein. Ausweislich dieses Rückscheins ist das Einschreiben dem Sohn des Klägers, Herrn A. B., am 30.01.1990 übergeben worden (Ablichtung des Rückscheins Bl. 20).
Mit seiner am 21.02.1990 bei dem Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage hat der Kläger diese Kündigung der Beklagten angegriffen und gebeten, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden sei, und weiter vorsorglich, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.
Der Kläger hat zur Begründung seines Antrags auf nachträgliche Klagzulassung insbesondere vorgetragen, sein Sohn könne sich nicht mehr ganz sicher an das Datum der Zustellung erinnern. Ihm, dem Kläger, sei das Kündigungsschreiben erst am folgenden Tage ausgehändigt worden, so daß es ihm auch erst am 01.02.1990 zugegangen sei. Er sei der deutschen Sprache unkundig und wisse als türkischer Staatsangehöriger nichts von einer Klagefrist der Kündigungsschutzklage. Erst durch seinen Rechtsanwalt sei er am 21.02.1990 in die Lage versetzt worden, die Kündigungsschutzklage zu erheben. Nach allem sei er trotz Anwendung aller ihm zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen, die Kündigungsschutzklage fristgerecht zu erheben.
Der Kläger hat beantragt,
die Kündigungsschutzklage, die am 21.02.1990 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beklagte hat sich insbesondere dahin eingelassen, die Rechtsunkenntnis des Klägers rechtfertige die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht.
Das Arbeitsgericht hat durch den Beschluß vom 03.04.1990 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Wegen der näheren Einzelheiten dieses Beschlusses wird in entsprechender Anwendung von § 543 Abs. 2 ZPO auf ihn Bezug genommen (vgl. aaO; S. 3 ff = Bl. 33 ff).
Gegen diesen seinem Herrn. Prozeßbevollmächtigten gemäß § 212 a ZPO am 06.04.1990 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg hat dieser mit seinem am 20.04.1990 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese auch sogleich begründet (Bl. 38 ff).
Der Kläger macht zur Begründung seiner sofortigen Beschwerde insbesondere geltend, daß sein Sohn, der das Kündigungsschreiben an seiner Stelle erhalten habe, nicht für ihn empfangsberechtigt gewesen sei. Deshalb habe der Kläger auch keine Möglichkeit gehabt, unter den gewöhnlichen Verhältnissen von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. So sei davon auszugehen, daß solchenfalls, wie von der Rechtsprechung entschieden, die Frist zur nachträglichen Klagzulassung erst in dem Zeitpunkt beginne, in dem er auf sie hingewiesen werde. Die üblichen in der einschlägigen Rechtsprechung unterstellten Kontaktaufnahmen mit anderen gekündigten Arbeitnehmern, aber auch den Arbeitnehmervertretern seien für den Kläger nicht gegeben gewesen, weil er infolge Erkrankung lange nicht mehr im Betrieb gewesen sei.
Der Kläger spreche die deutsche Sprache nicht und bedürfe bei allen Kontaktaufnahmen außerhalb der Familie eines familiären Dolmetschers. Deshalb sei es von den schutzwürdigen Interessen her geboten, die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu gewähren.
Soweit die Rechtsprechung zur nachträglichen Zulassung von Kündigungsschutzklagen die Forderung aufstelle, die Arbeitnehmer hätten die 3-Wochen-Frist zu kennen, gehe dies an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei, weil die ganz überwiegende Mehrzahl aller Arbeitnehmer die dreiwöchige Klagefrist des KSchG nicht kenne. Nachdem eine Hinweispflicht für die Arbeitgeber nicht bestehe, sei dadurch eine verfassungswidrige Benachteiligung von Arbeitgebern gegenüber Arbeitnehmern gegeben.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Klägers. Sie macht sich die ihrer Auffassung nach zutreffende Begründung des angefochtener Beschlusses zu eigen.
Insbesondere sei in bezug auf den Kläger anzumerken, daß er fast 20 Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei und sich damit auch den gleichen Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe, so daß er ausreichend Zeit gehabt habe, sich über das geltende Arbeitsrecht und insbesondere die dreiwöch...