Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherinsolvenz. Pfändbares Arbeitseinkommen. Transferkurzarbeitergeld. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Zusammenrechnungsbeschluss
Leitsatz (amtlich)
1. Ist über das Vermögen eines Arbeitnehmers das Insolvenzverfahren gemäß § 304 InsO eröffnet worden, kann der Insolvenzverwalter vom Arbeitgeber die Abführung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse verlangen. Die Berechnung des dem Schuldner verbleibenden unpfändbaren Arbeitseinkommens richtet sich nach den Pfändungsschutzbestimmungen gemäß §§ 850 ff ZPO.
2. Bezieht der Schuldner, der aufgrund eines dreiseitigen Vertrages zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gewechselt ist, neben dem Transferkurzarbeitergeld gemäß § 216 b SGB III einen Aufstockungsbetrag zur Sicherung seines bisherigen Nettoentgelts, handelt es sich um ein einheitliches Arbeitseinkommen. Eines Zusammenrechnungsbeschlusses gemäß § 850 d Nr. 2 bzw. Nr. 2 a ZPO bedarf es nicht.
Normenkette
InsO §§ 35-36, 80-82, 304 Abs. 1 S. 1; SGB III § 216b Abs. 10, §§ 178, 181 Abs. 2 S. 1; ZPO § 850e Nrn. 2, 2a
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 1 Ca 4841/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.01.2006 – 1 Ca 4841/05 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.126,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen des C1xxxxxxxx T1xxx auf Abführung der pfändbaren Bezüge des Schuldners aus dem Zeitraum Dezember 2003 bis November 2004 in unstreitiger Höhe von 2.126,00 EUR in Anspruch.
Das zwischen dem Insolvenzschuldner und der Firma V2xxxxx D3xxxxxxxxx GmbH Werk D4xxx/W4xxxxxx bestandene Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag am 30.11.2003 gegen Zahlung einer Abfindung. Gleichzeitig wurde zwischen dem Schuldner und der Beklagten, einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, ab 01.12.2003 ein bis zum 30.11.2004 befristetes Arbeitsverhältnis begründet. Für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten wurden gemäß Interessenausgleich/Sozialplan V2xxxxx vom 28.03.2003 folgende Vergütungsleistungen vereinbart:
- „Strukturkurzarbeitergeld in Höhe von 60 % bzw. 67 % der Nettoentgeltdifferenz des zuletzt bei V2xxxxx bezogenen Arbeitsentgeltes gemäß §§ 178 ff SGB III.
- Das Strukturkurzarbeitergeld wird auf 90 % des Nettoentgeltes des Beschäftigen nach Maßgaben der folgenden Regelungen aufgestockt. …”
Durch Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 12.12.2003 – 145 IN 1143/03 – wurde über das Vermögen des C1xxxxxxxx T1xxx das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In dem Beschluss heißt es:
„Wer Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner hat, wird aufgefordert, nicht mehr an diesen zu leisten, sondern nur noch an den Insolvenzverwalter.”
Der Kläger informierte die Beklagte am 16.12.2003 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und forderte sie auf, die jeweils pfändbaren Bezüge des Schuldners abzuführen.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dazu nicht verpflichtet zu sein, weil der Schuldner neben dem Strukturkurzarbeitergeld einen Aufstockungsbetrag erhalte, dessen Höhe die Pfändungsfreigrenze nicht übersteige und ein Zusammenrechnungsbeschluss gemäß § 850 e Nr. 2 a ZPO nicht vorliege.
Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenzen sei das Strukturkurzarbeitergeld auch ohne Zusammenrechnungsbeschluss zu berücksichtigen, weil Kurzarbeitergeld und Aufstockungsbetrag einheitlich abgerechnet und ausgezahlt würden.
Die dem Schuldner für die Monate Dezember 2003 bis einschließlich November 2004 erteilten Verdienstabrechnungen weisen jeweils einen bestimmten Überweisungsbetrag aus, der sich aus dem errechneten Kurzarbeitergeld und dem Aufstockungsbetrag zusammensetzt. Auf die eingereichten Verdienstabrechnungen (Bl. 39 bis 48 d.A.) wird Bezug genommen.
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn C1xxxxxxxx T1xxx 2.126,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20.01.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, Teile des Entgelts des Insolvenzschuldners an die Insolvenzmasse auszukehren, weil weder das Strukturkurzarbeitergeld noch der Aufstockungsbetrag für sich genommen die Pfändbarkeitsschwelle gemäß § 850 c ff ZPO überschritten. Beides könne nur dann zusammengerechnet werden, wenn der Kläger, was unstreitig nicht geschehen sei, einen Zusammenrechnungsbeschluss gemäß § ...