Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Verschweigens der Schwerbehinderteneigenschaft. Umfang des Fragerechts des Arbeitgebers nach Vorliegen einer Schwerbehinderung
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB IX ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der von dem schwerbehinderten Beschäftigten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist. Dementsprechend darf der Arbeitgeber danach fragen, ob der Stellenbewerber an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leidet, durch die er zur Verrichtung der beabsichtigten vertraglichen Tätigkeit ungeeignet ist. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, so ist die Frage nach der Schwerbehinderung bzw. Schwerbehinderteneigenschaft als unzulässig anzusehen, weil sie unmittelbar und direkt an die von § 81 Abs. 2 SGB IX geschützte Eigenschaft „Schwerbehinderung” anknüpft und damit eine unmittelbare Diskriminierung darstellt.
Normenkette
BGB § 123; SGB IX § 81
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 31.03.2006; Aktenzeichen 1 Ca 2452/05) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 31.03.2006 – 1 Ca 2452/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.145,96 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit vorliegender Klage gegen die Anfechtung seines Arbeitsvertrages durch den Beklagten. Des weiteren will er festgestellt wissen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die in § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21.10.2003 vereinbarten Befristungen zum 31.07.2005, 31.08.2005, 30.09.2005, 31.10.2005, 30.11.2005, 31.12.2005, 31.01.2006 und 28.02.2006 beendet worden ist. Schließlich begehrt er Zahlung restlicher Vergütung für die Monate Mai bis August 2005. Soweit der Kläger die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung im Sinne des § 312 SGB III begehrt und sich gegen weitere Befristungen seines Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzt, hat das Arbeitsgericht das Verfahren abgetrennt und unter einem anderen Aktenzeichen fortgeführt.
Der Beklagte betreibt ein Unternehmen für Dienstleistung, Personalleasing und Industriereinigung. Bei dem am 09.01.1952 geborenen Kläger ist ausweislich des von ihm vorgelegten Schwerbehindertenausweises mit Wirkung ab 01.02.2002 ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt. Unter dem 21.10.2003 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer (Bl. 67 f. d.A.), der die Einstellung des Klägers als Reinigungskraft im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung vorsah. Außerdem vereinbarten die Parteien, dass dieser Arbeitsvertrag am 31.12.2003 endete.
Am 26.04.2004 schlossen die Parteien einen weiteren schriftlichen Arbeitsvertrag für Leiharbeitnehmer, der fälschlicherweise mit dem Datum des 26.04.2005 versehen wurde. Wegen der Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf Bl. 11 – 18 d.A. Bezug genommen. In der Anlage zu § 2 b des Arbeitsvertrages (Bl. 19 d.A.) vereinbarten die Parteien, dass der Kläger ab dem 13.04.2004 in den Kundenbetrieben Rxxxxxxx Rohstoff, ReTherm, Interseroh als Industriereiniger und Staplerfahrer eingesetzt wird.
Mit Schreiben vom 12.02.2005 (Bl. 20 d.A.) und 18.06.2005 (Bl. 21 d.A.) erteilte der Beklagte dem Kläger jeweils eine Abmahnung. Mit Schreiben vom 23.06.2005 (Bl. 227 f. d.A.) wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Beklagten unter anderem darauf hin, dass der Kläger als anerkannter Schwerbehinderter berechtigt sei, die von ihm verlangte Mehrarbeit abzulehnen. Außerdem sei der Kläger aufgrund seiner starken gesundheitlichen Beschränkungen nicht in der Lage, mehr als eine Arbeitsschicht pro Tag zu erledigen. Er bat weiterhin darum, zukünftig dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger so eingesetzt werde, dass pro Arbeitstag nicht mehr als acht Stunden zu leisten seien.
Am 01.07.2005 erkrankte der Kläger und erhielt in der Zeit vom 09.07.2005 bis zum 31.08.2005 ein tägliches Krankengeld in Höhe von 32,96 EUR.
Mit Schreiben vom 07.07.2005 (Bl. 24 d.A.), das dem Kläger am 12.07.2005 zuging, erklärten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung, da dem Beklagten die Schwerbehinderung bis zum Zugang des Schreibens vom 23.06.2005 nicht bekannt gewesen sei. Hiergegen sowie gegen die im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung richtet sich die Feststellungsklage, die am 25.07.2005 beim Arbeitsgericht Herne eingegangen ist.
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 26.04.2004 nicht nach einer Schwerbehinderung gefragt. Außerdem sei dem Beklagten diese Tatsache bekannt gewesen. Der erstmalige Kontakt zum Beklagten habe bereits 1999 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei er, der Kläger, n...