Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines in der Personalverwaltung eines Polizeipräsidiums tätigen Angestellten wegen Begehung von Sexualstraftaten (hier: Besitz von kinderpornographischen Darstellungen)
Leitsatz (redaktionell)
Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Sachbearbeiters in der Personalverwaltung eines Polizeipräsidiums ist unwirksam, wenn dieser zwar wegen Besitz kinderpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden ist, aber jeglicher Bezug dieser Straftaten zur beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers fehlt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; TV-L § 34 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 25.11.2014; Aktenzeichen 2 Ca 482/14) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.11.2014 - 2 Ca 482/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Der 1964 geborene ledige Kläger ist seit Juni 1987 als Arbeiter und anschließend seit Januar 1989 als Angestellter bei dem beklagten Land in dem Polizeipräsidium C beschäftigt. Dort war er zuletzt bis Juni 2013 als Sachbearbeiter in der Personalverwaltung tätig und wurde sodann als Mitarbeiter in der Materialausgabe und Druckerei eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-L Anwendung. Der Kläger ist eingruppiert in der Entgeltgruppe 8, Stufe 6, und erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 3.000,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist gemäß § 34 Abs. 2 TV-L nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
Ab dem 28.11.2013 betrug der Grad der Behinderung bei dem Kläger 20. Unter dem 27.05.2015 teilte der Widerspruchsausschuss bei dem LWL-Integrationsamt Westfalen, Münster, den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass dieser keinen An- trag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX gestellt hat und dass damit feststeht, dass der Kläger nicht den besonderen Kündigungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch IX in Anspruch nehmen kann. Mit weiterem Schreiben des Widerspruchsausschusses vom 12.06.2015 stellte dieser, nach dem der Kläger seinen Widerspruch zurückgenommen hatte, das Widerspruchsverfahren ein.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 26.08.2013 wurde der Kläger angeklagt, tateinheitlich pornografische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben, sonst zugänglich gemacht zu haben, es ferner unternommen zu haben, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben bzw. kinderpornografische Schriften besessen zu haben, und schließlich es unternommen zu haben, sich den Besitz von pornografischen Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen im Alter von 14 bis 18 Jahren zum Gegenstand haben, zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben bzw. solche jugendpornografischen Schriften besessen zu haben. Grundlage dieser dem Kläger zur Last gelegten strafbaren Vergehen war ein bei ihm auf privaten elektronischen Speichermedien gefundener, aus insgesamt 6.600 Bild- und Videodateien bestehender Gesamtdatenbestand eines Volumens von 25,1 Gigabyte. Der Anklage vorausgegangen waren Durchsuchungen sowohl der Privaträume des Klägers als auch seiner Büroräume im Polizeipräsidium C. Auf dem dienstlichen Computer des Klägers fanden sich keine belastenden Bild- oder Videodateien.Die Anklage war Grund der Versetzung des Klägers von der Personalverwaltung in die Materialausgabe und Druckerei im Juni 2013. Zu dieser Zeit war die Angelegenheit in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt und damit auch nicht bei allen Mitarbeitern des Polizeipräsidiums. Der Kläger selbst hatte sich in dem Ermittlungsverfahren nicht zur Sache eingelassen.
In der Strafverhandlung vor dem Amtsgericht Bochum am 13.02.2014 zeigte sich der Kläger voll geständig und wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung für drei Jahre, sowie einer Geldstrafe von 1.500,00 Euro zu Gunsten eines Kinderheims verurteilt. Die Urteilsbegründung hob hervor, dass sich der Kläger geständig gezeigt habe. Zu Ungunsten des Klägers führte das Amtsgericht den hohen Datenbestand auf dem Rechner des Klägers an. Es liege nahe, dass er sich die Dateien aufgrund einer pädophilen Neigung verschafft habe (Amtsgericht Bochum 74 Ls - 39 Js 31/13 - 81-/13). Das Urteil wurde noch am selben Tag rechtskräftig. Das beklagte Land stellte den Kläger sodann mit Wirkung ab dem 17.02.2014 von der Arbeitsleistung frei.
Mit Schreiben vom 19.02.2014 hörte das beklagte Land den bei der Kreispolizeibehörde C bestehenden Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung und hilfsweisen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist an. Für...