Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis. Bindung des Arbeitgebers an den Inhalt des von ihm erteilten Arbeitszeugnisses. Beachtung des Maßregelungsverbots des § 612a BGB bei nachträglicher Änderung des Arbeitszeugnisses. Weitergeltung aller Zeugnisgrundsätze und des Maßregelungsverbots auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitnehmer kann unmittelbar aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten. Das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, ist dabei höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel. Dies gilt auch für Zeugnisse mit einer weit überdurchschnittlichen Bewertung.
2. Der Arbeitgeber ist an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses jedoch grundsätzlich gebunden. Von den in ihm enthaltenen Wissenserklärungen des Arbeitgebers zum Verhalten oder zur Leistung des Arbeitnehmers kann er nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Das ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB). Der Arbeitgeber ist deshalb nicht befugt, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Zeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern. Dies gilt auch für eine erteilte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.
3. Dass das Arbeitsverhältnis bei Erteilung des (berichtigten) Zeugnisses nicht mehr besteht, hindert nicht die Anwendung des Maßregelungsverbotes.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 612a; GewO § 109 Abs. 1 S. 3; GG Art. 12, 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 03.12.2021; Aktenzeichen 4 Ca 376/21) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 3. Dezember 2021 - 4 Ca 376/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
Die Klägerin schied zum Ende des Monats Februar 2021 aus den Diensten der Beklagten aus. Diese erteilte ihr im März 2021 ein Arbeitszeugnis (Anlage K 2 zur Klageschrift - Bl. 12 f. d.A.); es endete mit dem Absatz: "Frau A. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg". Nachdem die Klägerin verlangt hatte, die Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens zu verbessern, erteilte die Beklagte ein geändertes Zeugnis und, nachdem die Klägerin auch dieses beanstandet und durch Anwaltsschreiben unter Fristsetzung sowie Androhung "weitere(r) rechtliche(r) Schritte" weitergehende Korrekturen verlangt hatte, schließlich eine dritte, in der Bewertung verbesserte Version. Dieses enthält als Schlusssatz den vorzitierten Hinweis auf die Gründe des Ausscheidens, jedoch nicht mehr die weiteren Sätze, mit denen die Beklagte ihren Dank, das Bedauern des Ausscheidens und ihre guten Wünsche für die Zukunft ausgedrückt hatte.
Die Klägerin hat geltend gemacht: Auch wenn grundsätzlich kein Anspruch auf die begehrte Formulierung bestehe, habe sich die Beklagte vorliegend doch selbst gebunden. Aus dem Maßregelungsverbot, das ungeachtet der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingreife, folge, dass die Beklagte nicht befugt sei, die nicht beanstandeten Teile grundlos zu ändern.
Die Klägerin hat beantragt,
ihr Zug um Zug gegen Herausgabe der drei bereits erteilten Zeugnisse vom 28. Februar 2021 ein Zeugnis mit dem folgenden Inhalt zu erteilen:
Arbeitszeugnis
Frau A., geboren am 00.00.1993, ist seit dem 15.08.2017 als Persönliche Assistentin der Geschäftsführung für unser Unternehmen tätig gewesen. Auf Grund sehr guter Leistungen war Frau A. im Zeitraum 01.10.2019 bis zum 28.02.2021 als Managerin of Administration and Central Services tätig.
Die H. GmbH verwaltet die braunschweigische H. Gruppe, welche sich aus 10 Fitnessstudios in A-Stadt und Umgebung zusammensetzt. Hierzu zählen die Konzepte H., V. und M.!.
Der Wirkungs- und Verantwortungsbereich von Frau A. umfasste im Wesentlichen die eigenverantwortliche und selbstständige Erledigung folgender Aufgaben:
Assistenztätigkeit
- Ansprechpartnerin für Geschäftspartner und Mitarbeiter
- Allgemeine Korrespondenz und Terminmanagement
- Verwaltung und Bearbeitung von eingehenden Rechtsfällen
- Koordination und Administration von Aufgaben im Rahmen der Eröffnung neuer Fitnessstudios
- Allgemeines Vertragswesen
- Bearbeitung des Posteingangs
- Protokollantin während Führungskräfte-Meetings
- Empfangen von Besuchern
- Nachbereitung von Vereinbarungen
- Planung von Veranstaltungen
- Vorbereitung von Schulungen
In Vertretung / Personalwesen
- Bearbeitung des Karriere-Postfachs
- Erstellung und Veröffentlichung von Stellenanzeigen
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