Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Interessenausgleich mit Namensliste. Altersgruppen. grobe Fehlerhaftigkeit der Sozikalauswahl nach § 1 Abs. 5 KSchG
Leitsatz (amtlich)
Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bei einem Interessenausgleich mit Namensliste einer falschen Vergleichsgruppe zugeordnet wird, weil er auf eine Planstelle geführt wird, die nicht mehr seiner dauerhaft auszuübenden Tätigkeit entspricht.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1, 3, 5; BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 29.01.2007; Aktenzeichen 3 Ca 718/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 29.01.07, Az. 3 Ca 718/06 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die betriebsbedingte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 18.09.2006 zum 31.12.2006 und begehrt seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtstreits.
Der 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 10.12.1997 entsprechend der internen Tarifgruppe 6,5 zu einer Bruttovergütung von zuletzt 2.455,04 EUR beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der Kläger war zunächst tätig in der Lackiererei als Fertigsteller I. Seit 1998 ist er als Spritzer Nahtabdichtung III tätig gewesen, wobei die Parteien darüber streiten, ob ihm diese Tätigkeit nur vorläufig oder dauerhaft zugewiesen wurde. Eine förmliche Versetzung gegenüber dem Kläger oder eine Änderungskündigung ist insoweit nicht ausgesprochen worden. Zuletzt ist der Kläger in der Materialwirtschaft eingesetzt worden.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie bzw. der Automobilzuliefererindustrie. Laut Angaben zur Massenentlassungsanzeige (Anlage 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006) waren bei der Beklagten im September 2006 insgesamt 5.331 Arbeitnehmer beschäftigt. Seit dem Jahre 2004 bestanden bei der Beklagten erhebliche Auslastungsprobleme. Aus diesem Grunde wurden im Betrieb der Beklagten mit dem Betriebsrat am 24.11.2004 zwei Interessenausgleiche und Sozialpläne geschlossen für den Bereich des Betriebsmittelbaus wie auch für den Fahrzeugbau. Bezüglich des Interessenausgleiches Nr. 33/04 vom 24.11.2004 sollten 120 Beendigungskündigungen und 90 Änderungskündigung ausgesprochen werden. Nach dem Sozialplan 32/04 vom 24.11.2004 sollten im Fahrzeugbau 750 Beendigungskündigungen ausgesprochen werden. Diese Interessenausgleiche beinhalteten die Bildung von Altersgruppen, so dass Arbeitnehmer aller Altersgruppen von den Beendigungskündigungen betroffen waren.
Am 07.04.2005 wurden ein weiterer Interessenausgleich und Sozialplan 12/05 für die gewerblichen Mitarbeiter im Fahrzeugbau abgeschlossen, der 370 Beendigungskündigungen vorsahen. Der Sozialplan sah weder Vergleichsgruppen noch Altersgruppen vor.
Ab dem 01.06.2006 fanden sodann zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat weitere Gespräche zur Vorbereitung eines Interessenausgleichs und Sozialplanes statt. Auf Grund sich weiter verringender Produktionszahlen bei der Beklagten. Als Ergebnis der Gespräche zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat wurde vereinbart, dass in der ersten Stufe 633 Mitarbeiter gekündigt werden sollten. Diese Stufe sollte den Personalabbau im Rahmen der stückzahlabhängigen Produktionsbereiche betreffen. Neben den Beendigungskündigungen sollten eine Reihe von weiteren Maßnahmen wie z. B. eine Arbeitszeitabsenkung erfolgen. Zwischenaustritte (Kündigungen oder Aufhebungsverträge) in den betroffenen Bereichen zwischen dem 21.07.06 und dem Ausspruch der Kündigungen sollten auf die Zahl 633 angerechnet werden.
Auf der Grundlage dieser Gespräche und nach einer Betriebsversammlung am 16.08.2006 wurde der Sozialplan und Interessenausgleich Nr. 17/06 am 08.09. von den Betriebsparteien unterzeichnet. Auf Grund der Vereinbarungen sollten nun noch 619 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.
Der Sozialplan beinhaltet im Bezug auf die Sozialauswahl u. a. die folgenden Regelungen:
2. Sozialauswahl
a)
In Bezug auf die geplanten Beendigungskündigungen ist vorher eine soziale Auswahl zwischen allen vergleichbaren Beschäftigten durchzuführen. Die Sozialauswahl wird innerhalb der jeweils vergleichbaren Beschäftigungsgruppen des Betriebes gemäß e) vorgenommen.
Es werden die Auswahlrichtlinien und das Punktesystem gemäß b) angewandt, und zwar unter Berücksichtigung der Altersgruppen gemäß c).
Die aus den Sozialauswahllisten ersichtlichen 633 Beschäftigten (abzüglich eventueller Zwischenaustritte) erhalten dann eine Beendigungskündigung. Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Betriebsvereinbarung einen gültigen ATZ-Vertrag haben sowie Beschäftigte mit befristeten Verträgen gem. § 3 TVBesch und Auszubildende bleiben vondieser Regelung unberührt.
b)
Für die Sozialauswahl der von Beendigungskündigungen betroffenen Belegschaftsmitglieder werden folgende Auswahlrichtlinie...