Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung. Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs. Prognoseentscheidung des Arbeitgebers. § 1 Abs. 2 KSchG
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände konkrete und greifbare Formen angenommen haben. Davon ist nach der Rechtsprechung des BAG auszugehen, wenn aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung bei Ausspruch der Kündigung absehbar ist, zum Zeitpunkt des Vertragsendes werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erfordernden betrieblichen Grundes gegeben sein (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 03.09.1998 – 8 AZR 306/97 – NZA 1999, 147).
Dies gilt nicht nur bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Umständen, sondern auch bei Kündigungen, die durch außerbetriebliche Gründe veranlasst sind, z. B. wenn bei einem Unternehmen des Reinigungsgewerbes ein bestehender Reinigungsauftrag ausläuft und fraglich ist, ob das Unternehmen bei der Neuausschreibung den Zuschlag erhalten wird.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 23.06.2000; Aktenzeichen 8 Ca 74/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 23.06.2000 – 8 Ca 74/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer am 09.03.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage setzt sich die Klägerin gegen eine ordentliche Kündigung vom 22.02.2000 zum 30.06.2000 zur Wehr.
Die am … geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 19.06.1989 bei der Beklagten als Gebäudereiniger in beschäftigt.
Einsatzort der Klägerin war die …, für die die Beklagte aufgrund eines Dienstleistungsvertrages vom 29.06.1994 seit dem 01.07.1994 tätig war. Der Dienstleistungsvertrag enthält in § 15 unter anderem folgende Regelung:
„1. Das Vertragsverhältnis beginnt am 01. Juli 1994 und kann mit einer Kündigungsfrist von einem Monat erstmals zum 30.06.1997 gekündigt werden. …
2. Wird das Vertrags Verhältnis nicht zu dem in Abs. 1 Satz 1 genannten Termin gekündigt, so verlängert es sich jeweils um ein Jahr, sofern nicht mit einer Frist von drei Monaten vorher gekündigt wurde. Es sind höchstens zwei Verlängerungen um jeweils ein Jahr zulässig.”
Mit Schreiben vom 30.03.1999 teilte die Auftraggeberin … der Beklagten mit, dass der Vertrag zum 30.06.1999 auslaufe. Da keine weitere Vertragsverlängerung mehr möglich sei, müsse das Los neu ausgeschrieben werden. Für die Zeit der Ausschreibung bot die … der Beklagten einen für ein Jahr befristeten Vertrag zu den bestehenden Konditionen an. Hiermit erklärte sich die Beklagte einverstanden. Zwischenzeitlich hatte die … den Reinigungsauftrag ausgeschrieben, auch die Beklagte beteiligte sich an dieser Ausschreibung, und zwar mit Angeboten vom 11.10.1999.
Mit Schreiben vom 29.03.2000 teilte die der Beklagten – nach Ausspruch der im vorliegenden Fall streitbefangenen Kündigung – mit, dass der Zuschlag nicht auf eines der von der Beklagten abgegebenen Angebote erteilt werde.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei bereits deshalb gemäß § 1 KSchG rechtsunwirksam, weil sie bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als die Entscheidung über die Vergabe des Reinigungsauftrages noch nicht getroffen gewesen sei. Eine vorsorgliche Kündigung im Hinblick auf einen lediglich möglichen Auftragsverlust sei unzulässig. Darüber stellte die Kündigung einen Verstoß gegen das ultima-ratio-Prinzip dar.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 22.02.2000 nicht beendet wird.
Die Beklagte hat behauptet, zum Zeitpunkt der Kündigung sei aufgrund der Neuausschreibung der Reinigungsleistung völlig offen gewesen, welcher Dienstleister künftig den Reinigungsauftrag erhalte. Festgestanden habe lediglich, dass sie ihren gegenwärtigen Auftrag am 30.06.2000 verlieren würde. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, damit habe der betriebsbedingte Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen. Die Sozialauswahl sei auf das Objekt beschränkt gewesen, da dieses Objekt als eigenständiger Betrieb organisiert gewesen sei. Wegen des Sachvorbringens der Beklagten wird insoweit auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 06.04.2000 verwiesen.
Durch Urteil vom 23.06.2000 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.02.2000 nicht beendet wird. Die Kosten des Rechtsstreits hat es der Beklagten auf erlegt und den Streitwert auf 5.100,– DM festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 78 bis 81 d.A.) Bezug genommen.
Das Urteil ist der Beklagten am 21.07.2000 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 17.08.2000 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.10.2000 am 18.10.2000 begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe d...