Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten im Arbeitsverhältnis. Unangemessene Rückzahlungsklausel bei pauschalem Anknüpfen an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zur Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Nur wenn die Vereinbarung die grundgesetzlich durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte, arbeitsplatzbezogene Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig einschränkt, kann sich daraus ihre Unwirksamkeit ergeben.
2. Es ist nicht zulässig, eine Rückzahlungspflicht für Fortbildungskosten einschränkungslos an das Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund einer Eigenkündigung innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Hierin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, da es an einer differenzierenden Betrachtungsweise des Ausscheidungsgrunds fehlt.
Leitsatz (amtlich)
Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung, die eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei einer aus personenbedingten Gründen berechtigten Eigenkündigung nicht ausnimmt, benachteiligt die Arbeitnehmer nach Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam (wie LAG Hamm vom 29.01.2021 - 1 Sa 954/20).
Normenkette
BGB § 307; GG Art. 12 Abs. 1 S. 1; BGB § 191; BBiG § 18 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Entscheidung vom 08.09.2020; Aktenzeichen 9 Ca 220/20) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 08.09.2020 - Az.: 9 Ca 220/20 - wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Klägerin betreibt eine REHA-Klinik in B... Die Beklagte hat dort vom 01.06.2017 bis 31.01.2020 als Altenpflegerin gearbeitet. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 12.04.2017/09.05.2017 zugrunde. Ab dem 01.06.2019 erhielt die Beklagte eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von € 2.950,-. Unter dem 10.02.2019 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag. Die Fortbildungsdauer betrug 18 Tage. Die vom Arbeitgeber übernommenen Kosten im Rahmen der Teilnahme an der Fortbildung wurde in § 2 des Fortbildungsvertrages mit voraussichtlich maximal € 4.090,- (Kursgebühren in Höhe von € 1.930,-, bezahlte Freistellung € 2.160,-) angegeben.
§ 3 des Fortbildungsvertrages lautet:
"Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist
(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.
(2) Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag.
Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.
(3) Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.
(4) Der Erlass des Rückzahlbetrages nach Abs. 2 S. 3 erfolgt jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an das Ende der Fortbildung Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Demnach kann in einem ruhenden Arbeitsverhältnis (kein Bezug von Arbeitsentgelt) keine Abschreibung nach Abs. 2 S. 3 erfolgen.
..."
Wegen des weiteren Inhaltes des Fortbildungsbildungsvertrages wird auf Blatt 18 - 20 der Akte verwiesen.
Die Beklagte hat die Fortbildung am 03.12.2019 erfolgreich beendet. Mit Schreiben vom 29.11.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 01.02.2020.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30.12.2019 auf, die Fortbildungskosten anteilig in Höhe von € 2.726,68 zurückzuzahlen.
Die Klägerseite trägt in der 1. Instanz insoweit vor, dass der absolvierte Fortbildungskurs "Fachtherapeut Wunde ICW" dazu geführt hätte, dass die Beklagte als ausgebildete Wundfachtherapeutin den übrigen bei der Klägerin tätigen Wundexperten vorgesetzt gewesen wäre und entsprechend beschäftigt worden wäre. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Beschäftigung einer Wundfachtherapeutin habe allerdings nicht bestanden. Die Beklagte habe den Fortbildungsvertrag ohne jeden Druck abgeschlossen. Die erworbenen Kenntnisse seien für die Bekla...