Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Verhalten. Nebenpflicht. Rücksichtnahmepflicht. Unfallverhütung. Arbeitsschutzvorschriften. Abmahnung. Interessenabwägung. Verhaltensbedingte Kündigung wegen Verstoßes gegen Arbeitsschutz-/Sicherheitsvorschriften
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer ist arbeitsvertraglich zu einem mit den Arbeitsschutzvorschriften korrespondierenden Verhalten verpflichtet.
2. Auch wenn die Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften nicht schriftlich niedergelegt sind, ist der Arbeitnehmer generell verpflichtet, alles zu unterlassen, was Leben oder Gesundheit von Arbeitskollegen sowie das Eigentum des Arbeitgebers gefährden kann. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 241
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 03.04.2008; Aktenzeichen 5 Ca 2133a/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 03.04.2008 – 5 Ca 2133 a/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am …1958 geborene Kläger ist verheiratet und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker und seit dem 17.01.1978 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 01.03.1982 zugrunde (Anlage K I = Bl. 4 – 5 d. A.). Bei der Beklagten arbeitete der Kläger in verschiedenen Bereichen. Seit dem Jahr 2005 wird er in der Rohrfertigung eingesetzt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt durchschnittlich 3.000,00 EUR.
Die Beklagte ist im „Überwasserbereich” (Handelsschiffbau) tätig und beschäftigt ca. 460 Mitarbeiter. Es existiert ein Betriebsrat.
Der Kläger wurde im Bereich „Arbeitssicherheit” zuletzt am 01.11.2006 geschult „Unterweisung der Beschäftigten nach dem Arbeitsschutzgesetz”, vgl. Bl. 29 d. A.).
Die Beklagte erteilte dem Kläger im Jahr 2007 drei Abmahnungen. Die erste Abmahnung datiert vom 13.03.2007 (Bl. 30 d. A.) und war wegen des Vorwurfs der üblen Nachrede bzw. Verleumdung eines Kollegen ausgesprochen worden. Mit der Abmahnung vom 16.04.2007 (Bl. 35 d. A.) warf die Beklagte dem Kläger die unsachgemäße Ablage von Rohren auf einem Metallständer sowie ungebührliches Verhalten gegenüber dem ersten Werker vor. Die dritte Abmahnung stammt ebenfalls vom 16.04.2007 (Bl. 37 d. A.) und war wegen eigenmächtigen Verlassens des Arbeitsplatzes ausgesprochen worden.
Ende Oktober/Anfang November 2007, das genaue Datum ist zwischen den Parteien streitig, warf der Kläger eine Farbspraydose in einen Container in der Rohrhalle. Es handelt sich um einen 160 × 160 × 160 cm großen Container aus Stahl, in dem Schnittreste aus der Brennmaschine entsorgt werden. Der Container trägt die Aufschrift „HEISS” (vgl. Bl. 79 d. A.). Leere Spraydosen sind normalerweise in zwei Containern auf dem Vorplatz zu entsorgen. Auf der fraglichen Spraydose befand sich der Hinweis „hochentzündlich”. Dem Kläger waren Mitte Oktober 2007 drei Farbspraydosen ausgehändigt worden, um Materialcontainer zu markieren.
Der Zeuge H. sprach den Kläger auf den Vorfall an, wobei auch hier der Zeitpunkt streitig ist. Der Zeuge berichtete, dass es im Schrottcontainer an der Brennmaschine ein kleines Feuer gegeben habe und dass eine Spraydose hierfür mit ursächlich gewesen sein soll. Später fand noch ein Gespräch mit Herrn M. statt. Der Kläger wurde in diesem Gespräch nochmals auf die Sicherheitsvorschriften hingewiesen.
Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 17.01.2007 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an (Bl. 25 – 28 d. A.). Der Betriebsrat widersprach der Kündigung (Anlage K III = Bl. 7 d. A.). Mit Schreiben vom 21.11.2007 (Anlage K II = Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Fristen des Tarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie MTV zum 31.01.2008.
Der Kläger hat gemeint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat der Kündigung widersprochen habe. Die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz im Unternehmen sei möglich. Der Betriebsrat habe in seinem Widerspruch ausgeführt, dass er, der Kläger, in die Bereiche „Ausrüstung des U-Boot-Baus” oder des „Überwasserschiffbaus” umgesetzt werden könne. Es handele sich um eine andere Abteilung, in der zum großen Teil Leiharbeitnehmer eingesetzt seien und in dem es zu Beginn des Jahres freie Arbeitsstellen für Schlosser gegeben habe. Der Betriebsrat habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schwierigkeiten erst bestünden, seit der Kläger in die Rohrhalle gekommen sei. Davor sei das Arbeitsverhältnis 28 Jahre störungsfrei verlaufen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es fehle auch an einem Kündigungsgrund. Bei dem vorgeworfenen Verhalten handele es sich um eine Lappalie. Es sei nichts passiert und es hätte auch nichts passieren können. Der Vorfall habe sich nicht am 25....