Leitsatz
Eine Rückzahlung des Nennkapitals i.S. v. § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. (nach einer Nennkapitalherabsetzung) ermöglicht einen Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto. Um als Rückzahlung des Nennkapitals behandelt zu werden, muss feststehen, dass die entsprechende Leistung der Kapitalgesellschaft darauf gerichtet ist, den Herabsetzungsbetrag auszuzahlen. Das ist anhand des Herabsetzungsbeschlusses und unter Würdigung der weiteren tatsächlichen Umstände festzustellen.
Normenkette
§ 27 Abs. 1 Satz 3, § 28 Abs. 2 KStG 2002 n.F., § 58 GmbHG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Im Zuge einer Umstrukturierung wurde beschlossen, unternehmensbezogene Maßnahmen zu ergreifen ("IFRS-Vermeidungsstrategie"). Im Zuge dessen beschloss die alleinige Gesellschafterin der Klägerin, eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG von der KSt befreite Anstalt des öffentlichen Rechts (B), die Herabsetzung des Stammkapitals der Klägerin um 16 Mio. EUR auf 1 Mio. EUR: "1. Die Herabsetzung des Stammkapitals dient der Anpassung der Kapitalstruktur und der Einstellung in die Kapitalrücklagen gemäß § 272 Abs. 2 HGB. 2. Zur Durchführung der Herabsetzung des Stammkapitals wird die Stammeinlage i.H.v. 16 Mio. EUR in die Kapitalrücklagen eingestellt."
Durch die Herabsetzung des Stammkapitals sollte eine Reduzierung des in der Klägerin vorhandenen Eigenkapitals ermöglicht werden. All das vollzog sich im zeitlichen Zusammenhang des Jahres 2007, auch die entsprechende Zahlung aus der Kapitalrücklage an die Gesellschafterin B.
Das FA vertrat die Auffassung, die Zahlung sei keine begünstigte Leistung i.S. d. § 28 Abs. 2 KStG, vielmehr handele es sich um eine sonstige Leistung i.S. d. § 27 KStG. Die Rückzahlung i.H.v. 4 Mio. EUR stelle keine Kapitalrückzahlung i.S. d. § 28 KStG 2002 n.F. dar, da im Gesellschafterbeschluss über die Kapitalherabsetzung die Auskehrung an die Anteilseignerin weder nach Grund noch nach Höhe vorgesehen und insoweit kein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto möglich sei. In dem Beschluss sei ausdrücklich angegeben worden, dass die Herabsetzung des Stammkapitals im Wege der Einstellung des herabgesetzten Kapitals in die Kapitalrücklage durchgeführt werde; die Anpassung der Kapitalstruktur sei erst durch die spätere Rückzahlung der 4 Mio. EUR erreicht worden. Bei der Auszahlung handele es sich dementsprechend um einen gesondert zu beurteilenden Vorgang. Da der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2006 null EUR betragen habe, liege keine steuerfreie Einlagenrückgewähr vor. Deswegen sei auf die Ausschüttung KapESt anzumelden und abzuführen.
Dementsprechend hat das FA die KSt festgesetzt und den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 16 Mio. EUR festgestellt und zudem einen Nachforderungsbescheid über KapESt erlassen.
Die Klage gegen den Feststellungs- und den Nachforderungsbescheid war erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.4.2013, 8 K 8200/09, Haufe-Index 5190499).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Er folgte dem FG zwar in dessen tatrichterlichen Feststellungen und auch dessen Würdigung zum Herabsetzungsbeschluss und zur Auskehrung. Es verwarf aber dessen darauf geschlussfolgerten Konsequenz: "Die Nennkapitalrückzahlung sollte … das "Instrument" sein, um die Tochtergesellschaft für die Darstellung der Vermögenslage des Konzerns von "untergeordneter Bedeutung" i.S. d. § 296 Abs. 2 Satz 1 HGB anzusehen", und diesem Beschlusszweck müsse auch steuerlich Rechnung getragen werden; die notwendigen Zusammenhänge ergäben sich mit hinreichender Unmissverständlichkeit aus den Sachzusammenhängen.
Hinweis
1. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 n.F. hat die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist nach Satz 2 der Vorschrift ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben. Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital i.S. d. § 28 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KStG 2002 n.F. das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur mindern, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr).
Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 n.F. zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist. Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen i.S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt...