[Ohne Titel]

Robert C. Prätzler / Reglindis Müller-Adams[*]

Wieso ist auf meiner Nebenkostenabrechnung Umsatzsteuer zu finden? Mit der Frage würden wahrscheinlich Wohnungsmieter reagieren, wenn sie eine Betriebskostenabrechnung mit offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen erhalten. Seit dem EuGH-Urteil "Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie" ("WAM") gilt ein solches Szenario allerdings nicht mehr als ausgeschlossen. "WAM" bezog sich auf ein polnisches Verfahren. Die deutsche Finanzverwaltung wendet die Entscheidung bislang nicht an. In 2021 hatten sowohl das FG Nds. als auch das FG Münster darüber zu entscheiden, ob Vermietern aus bestimmten Leistungen, die sie in Zusammenhang mit umsatzsteuerfrei vermieteten Immobilien bezogen hatten, der Vorsteuerabzug zu gewähren ist. Beide Gerichte gaben den Vermietern Recht und folgten grundsätzlich dem EuGH, die Revision wurde zugelassen. Nun ist die Revisionsentscheidung V R 15/21 zu einem der beiden Fälle veröffentlicht worden. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit dieser Entscheidung und wagen einen Ausblick auf die künftige Entwicklung bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung sog. Mietnebenkosten.

[*] Dipl.oec. StB Robert C. Prätzler ist Partner bei RSM Ebner Stolz, Frankfurt/M. und Dipl.-Volkswirtin Reglindis Müller-Adams ist Senior-Umsatzsteuerreferentin bei der PHOENIX Pharmahandel GmbH & Co KG, Mannheim.

I. Einleitung – "Mietnebenkosten" umsatzsteuerlich auf dem Prüfstand

Meine Miete ist doch umsatzsteuerfrei – wieso ist auf meiner Nebenkostenabrechnung Umsatzsteuer zu finden? So oder ähnlich würden wohl zahlreiche Wohnungsmieter reagieren, wenn sie eine Betriebskostenabrechnung – umgangssprachlich auch als Nebenkostenabrechnung bezeichnet – mit offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen erhalten. Seit dem EuGH-Urteil "Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie" ("WAM")[1] gilt ein solches Szenario allerdings nicht mehr als ausgeschlossen. "WAM" bezog sich auf ein polnisches Verfahren. Die deutsche Finanzverwaltung wendet die Entscheidung bislang nicht an.

Im Jahre 2021 hatten sowohl das Niedersächsische FG als auch das FG Münster darüber zu entscheiden, ob Vermietern aus bestimmten Leistungen, die sie in Zusammenhang mit umsatzsteuerfrei vermieteten Immobilien bezogen hatten, der Vorsteuerabzug zu gewähren ist. Die klagenden Vermieter begehrten diesen Vorsteuerabzug unter Berufung auf die "WAM"-Rechtsprechung des EuGH. Beide Gerichte gaben den Vermietern Recht und folgten grundsätzlich dem EuGH[2]. Ebenso wurde in beiden Fällen die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen. Die diesbezüglichen Urteile des BFH wurden daher mit Spannung erwartet.

Nun ist die Revisionsentscheidung zu einem der beiden Fälle veröffentlicht worden. Es handelt sich dabei um das Urteil V R 15/21 vom 7.12.2023, in dem der BFH den zuvor durch das FG Münster behandelten Sachverhalt entschieden hat[3]. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit dieser Entscheidung und wagen einen Ausblick auf die künftige Entwicklung bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung sog. Mietnebenkosten.

[1] EuGH, Urt. v. 16.4.2015 – C-42/14 – Wojskowa Agencja Mieskaniowa w Warszawie, UR 2015, 427.

II. Die "WAM"-Rechtsprechung” des EuGH

1. Der Ausgangssachverhalt und die Vorlagefragen

Die Wojskowa Agencja Mieszkaniowa ("WAM") trat als Vermieterin verschiedener Immobilien auf. Im Rahmen dieser Tätigkeit verkaufte sie die Versorgungsleistungen Elektrizität, Wärme und Wasser sowie die Abfallentsorgung an die Mieter weiter. Dies geschah, indem sie an die Mieter die Kosten weiterberechnete, die sie für den Erwerb der Leistungen bei Dritten zu tragen hatte. Die WAM stellte den Mietern für die Versorgungsleistungen Vorauszahlungen in Rechnung, deren Betrag im Mietvertrag festgehalten war. Die Weiterberechnung erfolgte unter Anwendung des jeweils geltenden Steuersatzes für die einzelnen Leistungen. Nach Abschluss eines Jahres nahm sie eine verbrauchsabhängige Abrechnung vor.[4]

Die polnische Finanzverwaltung vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Lieferung der Versorgungsleistungen und die Abfallentsorgung Teile einer einheitlichen Vermietungsdienstleistung seien. Die verschiedenen Leistungen seien in die Besteuerungsgrundlage dieser Hauptleistung einzubeziehen. Insgesamt sei ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden und zwar der Steuersatz, der auf die Vermietungsleistung als Hauptleistung anwendbar ist[5].

Dagegen wandte sich die WAM mit einer Klage beim Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau ("Verwaltungsgericht"), das wegen der "enormen praktischen Bedeutung"[6] der Rechtssache dem EuGH zwei Fragen vorlegte.

Leistungsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter? Zunächst wollte das VG wissen, ob es nach den Bestimmungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in einer Konstellation wie der im Ausgangssachverhalt bezüglich der Erbringung von Versorgungsleistungen und Abfallentsorgung überhaupt zu einer Leistungsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter k...

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