Leitsatz
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL erfasst Leistungen auf dem Gebiet der Werbung, die dem Werbetreibenden indirekt erbracht und einem Zwischenempfänger in Rechnung gestellt werden, der sie seinerseits dem Werbetreibenden in Rechnung stellt. Dass dieser selbst keine Ware oder Dienstleistung herstellt, in deren Preis die Kosten der genannten Leistungen eingehen könnten, ist für die Bestimmung des Ortes der dem Zwischenempfänger erbrachten Dienstleistungen nicht von Belang.
Normenkette
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-RL , § 3a Abs. 4 Nr. 2 UStG
Sachverhalt
Im Auftrag des luxemburgischen Wirtschaftsministeriums hatte die in Luxemburg tätige A – offenbar im eigenen Namen – die belgische B mit verschiedenen Dienstleistungen (Errichtung und Reinigung der Stände, Bereitstellung von Personal für den Materialtransport) für eine in Gent (Belgien) durchgeführte Messe beauftragt. B stellte A den Preis dieser Leistungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung. A meinte, Leistungsort sei Luxemburg, weil sie, die Leistungsempfängerin, in Luxemburg ihr Unternehmen betreibe; A dürfe ihr deshalb keine belgische Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Das luxemburgische Zivilgericht hatte Zweifel am Leistungsort und legte die Sache dem EuGH vor.
Entscheidung
Die Zweifel des EuGH an der Einordnung der Leistungen (Reinigen, Stand aufstellen, Bereitstellung von Personal für Materialtransport) scheinen – zu Recht – sehr deutlich durch die Zeilen. Das war aber nicht die vorgelegte Frage und nur über diese entscheidet der EuGH – manchmal formuliert er sie allerdings "passend". Die vorgelegte Frage entschied er nach den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Grundsätzen: wenn es sich – so das vorlegende Gericht – um eine Werbeleistung handelt, dann bestimmt sich der Leistungsort nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL (§ 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 UStG). Ohne Bedeutung ist, dass der Leistungsempfänger nicht der eigentliche "Nutznießer" der Werbeleistung ist, sondern sie diese letztlich für das luxemburgische Wirtschaftsministerium bezogen hat.
Hinweis
§ 3a Abs. 3 UStG regelt den Leistungsort für bestimmte sonstige Leistungen (Dienstleistungen i.S.d. 6. EG-RL) abweichend von der Grundregel in § 3a Abs. 1 UStG: Leistungsort ist nicht der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG), sondern der Sitz/Wohnort des Leistungsempfängers, wenn dieser ein Unternehmer ist (und die Leistung für sein Unternehmen bezieht) oder wenn ein nichtunternehmerischer Empfänger seinen Wohnsitz in einem Drittland hat. Zu diesen Leistungen gehören nach § 3a Abs. 4 Nr. 2 UStG die sonstigen Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen, einschließlich der Leistungen der Werbungsmittler und der Werbeagenturen. § 3a Abs. 3 UStG stimmt mit Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL überein. Dieser nennt als Leistungen, für die diese Regelung gilt:
"Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" (2. Gedankenstrich) und "Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie bei der Erbringung von unter diesem Buchstaben e) genannten Dienstleistungen tätig werden" (7. Gedankenstrich). Der luxemburgische Cours de Cassation hatte Zweifel, ob Leistungen auf dem Gebiet der Werbung auch vorliegen, wenn der Preis von Leistungen, die der Werbung dienen, nicht (unmittelbar) in den Preis der Waren des Leistungsempfängers eingeht; dies wegen der 7. Begründungserwägung zur 6. EG-RL, auf die der EuGH schon verschiedentlich in Entscheidungen hingewiesen hat: Dort ist der Gedanke formuliert, dass es bei der Lieferung mit Montage und bei Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten(!) zu Kompetenzkonflikten kommen kann und deshalb insbesondere, wenn die Kosten für Dienstleistungen (Montage und sonstige Leistungen) in den Preis der Ware (des Empfängers) eingehen, Leistungsort das Land des Dienstleistungsempfängers sein soll. Nimmt man diese Prämisse wörtlich, dann ist das nicht der Fall, wenn eine der Werbung dienende Leistung nicht unmittelbar vom "Produzenten", sondern im eigenen Namen von einem Dritten in Auftrag gegeben und bezogen wird und erst von diesem dem "Produzenten" in Rechnung gestellt wird. Der EuGH betont:
- Es sollen mit der Regelung Kompetenzkonflikte vermieden werden (Rz. 22).
- Der Charakter der Leistung ist entscheidend, auch wenn sie – nach Ziel und Gegenstand – tatsächlich erst für den nächsten Leistungsempfänger brauchbar ist (vgl. Rz. 17f).
- Jeder Umsatz ist – systemimmanent – für sich zu beurteilen (Rz. 23f), d.h. für die betreffenden Regelungen über den Leistungsort: es kommt allein auf Leistenden und Leistungsempfänger des konkreten Leistungsverhältnisses; unerheblich sind Umsätze, die danach stattfinden (Rz. 26).
- Relativiert wird vom EuGH die siebte Begründungserwägung der 6. EG-RL: handelt es sich um eine Leistung, die nach ihrem Charakter der Werbung dient, ist nicht erforderlich zu prüfen, ob sie in den Preis der Waren des (unmittelbaren) Leistungsempfängers eingeht (Rz. 28, 29).
- Und zu...