Die derzeitige Lage zwingt Unternehmen also dazu, bisher gültige Vorgehensweisen zumindest in Teilen zu überdenken. Im Fokus muss derzeit die Aufrechterhaltung der Produktion und der Lieferfähigkeit gegenüber Kunden stehen. Dazu kommen u. a. folgenden Möglichkeiten in Betracht:
- Stärkere Bündelung von Bestellungen, um in größerem Umfang ordern zu können. Für Lieferanten ist das nach wie vor attraktiver als Kleinaufträge, weil sie hier mit der Lieferung größerer Mengen mehr verdienen können (Stichwort u. a. Reduzierung der Anzahl Lieferungen und von Arbeitszeiten).
- Bessere Pflege der Lieferantenbeziehungen, etwa besonders pünktliche Begleichung von Rechnungen, Erteilung von Lastschriften oder Verzicht auf "Nachverhandlungen", um als zuverlässiger Kunde wahrgenommen zu werden.
- Kontinuierliches Scannen der Märkte und Angebote von Lieferanten sowie kurzfristige Bestellung verfügbarer Waren, auch wenn sie erst in ein paar Wochen oder Monaten benötigt werden. Faustregel: Je nach Situation eines Unternehmens oder der Branche sollte man möglichst 50 – 60 % des voraussichtlichen Materialbedarfs für die kommenden 12 Monate vorrätig halten.
- Prüfung, ob Finetrading, die Vorfinanzierung von Umlaufvermögen bis zu 120 Tagen als Möglichkeit genutzt werden kann, um die Liquidität zu schonen bzw. auch temporäre Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Ein weiterer Vorteil: Da Lieferanten vom Finetrader immer pünktlich bezahlt werden, erwirbt man sich den Ruf eines zuverlässigen Partners. Mögliche Nachteile: Bei Finetrading fallen oft effektive Kosten um 10 % und mehr an und Voraussetzung für eine Teilnahme unter günstigen Bedingungen ist eine gute Bonität.
- Nutzung von Internet-Plattformen wie z. B. Materialschuppen oder LEG-Plattform als Unterstützung bei Lieferengpässen und Materialknappheit Digital Zentrum Ilmenau, auf denen Nachfrage und Anbieter zusammenkommen können. Hintergrund: Oft gibt es in einigen Regionen Engpässe, in anderen hingegen ein zumindest ausreichendes Angebot.
- Prüfung, ob man mit befreundeten Unternehmen selber eine – regionale – Plattform entwickeln und betreiben kann.
- Prüfung, ob es möglich ist, gebrauchte Waren aufzukaufen, und sie in der Produktion einzusetzen. Hier gibt es z. B. bereits Konzepte von Sportartikelherstellern wie Decathlon. Auch Versender wie Hermes und andere verkaufen zurückgesendete Waren je nach Zustand zu günstigeren Preisen oder schlachten z. B. Elektrowaren aus und verkaufen die Einzelteile als Ersatzteile. Firmen wie Fashion Logistics bereiten vor allem Textilwaren auf. Ähnliche Angebote finden sich, wenn man mit Begriffen wie "Second Hand" und den gesuchten Waren googelt. Zudem gibt es virtuelle Auktionshäuser, wie z. B. Zoll-Auktion, die von Bund, Ländern und Kommunen betrieben werden, und auf denen man u. a. günstig Fahrzeuge, Werkzeuge oder Maschinen finden kann. Alternativ / Ergänzend: Rücksendungen und Retouren wieder neu verpacken und verkaufen ggf. mit reduziertem Preis.
- Prüfung, ob man auf andere Waren und Materialien mit einer besseren Verfügbarkeit ausweichen kann, ohne Qualitätsverluste zu erleiden.
- Prüfung, ob man Materialreste doch noch einsetzen oder sie gegen andere Teile mit befreundeten Unternehmern tauschen kann.
- Wo immer (noch) möglich: Abschluss langfristiger Verträge mit Logistikpartnern, um den pünktlichen Transport von Waren gewährleisten zu können. Das erhöht zwar die Kosten, schafft aber zumindest etwas Planungssicherheit.
3.1 Preiserhöhung gegenüber Kunden prüfen
Um Gewinnrückgänge und Liquiditätsprobleme möglichst gering zu halten oder zu vermeiden, ist es in vielen Fällen unabdingbar, zu prüfen, ob und in welchem Umfang sich die Preise für die Kunden erhöhen lassen. Da sich die Probleme inzwischen sowohl bei Unternehmen als auch bei Privatkunden herumgesprochen haben, ist eine Preisanhebung oft einfacher umzusetzen als bisher. Und viele Kunden werden auch trotz intensiver Suche keine Alternativen mit deutlich besseren Konditionen finden.
Fingerspitzengefühl und Augenmaß sind bei Preiserhöhung wichtig
Dennoch sollte man möglichst nicht einfach unangekündigt die Preise anheben. Vor allem Betriebe, mit vielen langjährigen Stammkunden sollten mit diesen über die Ursachen und auch über die geplante Höhe der Preisanhebungen sprechen. So lässt sich i. d. R. verhindern, dass Kunden verärgert werden und, wenn sich die Zeiten wieder normalisieren, zum Wettbewerb abwandern.
Um mögliche größere Preissteigerungen etwas abzumildern, kann u. a. überlegt werden, Kunden eine Zahlung in Raten oder eine einmalige spätere Zahlung anzubieten. Alternativ kann man Kunden auch signalisieren, dass sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Waren noch zum alten Preis bestellen können, auch wenn die Lieferung nicht sofort umzusetzen ist. Hierdurch stabilisiert sich die Auftragslage und wenn es gelingt, zumindest einen Teil des Preises vorab zu erhalten (Voraus- / Abschlagszahlung), schont das auch die Liquidität. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Kunden, die Beweggründe meist gut nachvollziehen können. Und wenn sie ehrlich...