Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig durch die Zuordnung des Arbeitgebers. Hieraus ergeben sich steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die in der Praxis vielfach nicht genutzt werden. Erreichen lassen sich so für den Arbeitnehmer ein erhöhter Werbungskostenabzug oder eine steuerfreie Reisekostenerstattung. Fehlt es an der Zuordnung durch den Arbeitgeber, ist die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte anhand quantitativer Kriterien vorzunehmen. Zu beachten ist, dass allein durch die Bestimmung des Arbeitgebers keine erste Tätigkeitsstätte begründet werden kann. Erforderlich ist vielmehr auch, dass der Arbeitnehmer dort tätig wird (BFH, Urteil v. 4.4.2019, VI R 27/17, BFH/NV 2019 S. 944). Ausreichend ist eine Tätigkeit geringen Umfangs. Handeln darf es sich aber nicht um eine Tätigkeit von völlig untergeordneter Bedeutung. Da nicht ausgeschlossen ist, dass der BFH auch auf eine zeitliche Komponente abstellt (BFH, Urteil v. 2.9.2021, VI R 25/19, BFH/NV 2022 S. 18), sollte bei geringfügigen Tätigkeiten eine zeitliche Verweildauer von 30 Minuten nicht überschritten werden. Interessant ist eine Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber insbesondere dann, wenn der eigentliche Arbeitsort nicht die erste Tätigkeitsstätte sein soll. In Betracht kommt dies vielfach bei Unternehmen mit Zweigstellen, mehreren Betriebsstätten oder Filialen. Hier würden für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte die Grundsätze der Entfernungspauschale, ansonsten aber die Reisekostengrundsätze gelten. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten die entsprechenden Vereinbarungen schriftlich erfolgen.
(so Kreutzer/Lerbs, Keine erste Tätigkeitsstätte trotz Zuordnung? – Handlungsempfehlungen und Tipps aufgrund aktueller BFH-Rechtsprechung, NWB 2022, 22)