Rn. 242
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
§ 12 Nr 4 EStG beinhaltet ein Abzugsverbot für in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen (§ 12 Nr 4 EStG Alt 1), für sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt (§ 12 Nr 4 EStG Alt 2) und für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen (§ 12 Nr 4 EStG Alt 3). Das Abzugsverbot umfasst auch die mit den drei Sanktionsformen zusammenhängenden Aufwendungen (§ 12 Nr 4 EStG aE).
Rn. 243
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Die Vorschrift ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine geänderte Rspr des BFH. Früher waren Geldstrafen und Geldbußen von der Rspr als nicht abzugsfähig behandelt worden, auch wenn ein betrieblicher oder beruflicher Veranlassungszusammenhang bestand. Dieses Ergebnis wurde mit der Einheit der Rechtsordnung begründet, die gebieten würde, dass die verhängte Sanktion nicht durch eine Abzugsmöglichkeit auf die Allgemeinheit überwälzt werde (BFH IV R 12/72, BStBl II 1976, 370; BFH IV R 122/68, BStBl II 1972, 623; BFH I R 12/66, BStBl II 1969, 74). Diese Rspr hat der GrS des BFH mit zwei Beschlüssen v 21.11.1983 für den Bereich der Geldbußen aufgegeben (BFH GrS 2/82, BStBl II 1984, 160: Ordnungsgeld gemäß § 890 ZPO; BFH GrS 3/82, BStBl II 1984, 166: Geldbuße wegen Verstoßes gegen das AußenwirtschaftsG). Der BFH war nunmehr der Auffassung, dass die Einheit der Rechtsordnung kein Rechtfertigungsgrund dafür sei, betrieblich oder beruflich veranlasste Geldbußen als nicht abzugsfähig zu behandeln. Dies verstoße gegen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Rn. 244
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Durch das daraufhin erlassene Gesetz zur Änderung des EStG und des KStG v 25.07.1984 (BGBl I 1984, 1006) wurde nicht nur die Nichtabzugsfähigkeit von Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarngelder als BA/WK geregelt (§ 4 Abs 5 S 1 Nr 8 EStG ggf iVm § 9 Abs 5 EStG idF des Gesetzes zur Änderung des EStG und des KStG), sondern vorsorglich außerdem § 12 Nr 4 EStG in das Gesetz eingefügt. Ob der BFH seine neue Rspr auch auf Geldstrafen erstreckt hätte, ist deshalb nie geklärt worden. Einerseits hat der GrS bereits in seinem Beschluss v 28.11.1977 (BFH GrS 2/77 u GrS 3/77, BStBl II 1978, 105) ausgeführt, dass es für die Frage der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen nicht auf das Verschulden, die Strafbarkeit oder das moralische Verhalten des StPfl ankomme, sondern dass die Besteuerung grundsätzlich wertungsindifferent sei und sich nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit nach dem Veranlassungsprinzip richte. Andererseits hat der BFH mehrfach betont, dass bei Geldstrafen für kriminelles Unrecht die Beziehung zur Person des Täters überwiege, weil für die Festsetzung der Geldstrafe die persönliche Schuld des Täters ausschlaggebend sei und nicht der Umstand, dass die Tat im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Betätigung erfolgt sei (BFH VIII R 89/86, BStBl II 1992, 85; BFH VIII R 93/85, BStBl II 1986, 845; BFH IV R 260/84, BStBl II 1986, 518). Letztlich kann es dahinstehen, ob § 12 Nr 4 EStG nur eine klarstellende Bedeutung hat (so zB Loschelder in Schmidt, § 12 EStG, Rz 42 (40. Aufl); Thürmer in Blümich, § 12 EStG Rz 212 (Mai 2020)) oder ob die Vorschrift in den Fällen, in denen die zugrunde liegende Straftat einen betrieblichen oder beruflichen Grund hatte, bezahlte Geldstrafen konstitutiv der Privatsphäre zuweist.
Rn. 245–246
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
vorläufig frei