Rn. 320h
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Nach früherer Rspr des BFH reichte für eine Beherrschungsidentität dagegen lange Zeit eine nur mittelbare Mehrheits-Beteiligung der maßgeblichen Personengruppe an der Besitz-PersGes über eine zwischengeschaltete Tochter-KapGes nicht aus, die vorgeschaltete KapGes entfaltete vielmehr Abschirmwirkung und führte zu einem aus dem Trennungsprinzip abgeleiteten Durchgriffsverbot, weshalb der Besitz-PersGes weder die Beteiligung an der Betriebs-KapGes noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden konnten: BFH v 30.10.2019, BStBl II 2020, 147 Rz 44 (schon mit Hinweisen auf Gegenmeinungen); BFH v 08.09.2011, BStBl II 2012, 136 Rz 24; BFH BStBl II 2008, 471 unter II.2.d. der Gründe; BFH v 27.08.1992, BStBl II 1993, 134 unter II.2.a. der Gründe; BFH v 16.09.1994, BStBl II 1995, 75 unter II.3.e.aa.(2) der Gründe. Nach Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz 835, 40. Aufl, war (s nachfolgend) die Unterscheidung der Rspr zwischen mittelbarer Beteiligung an Besitz-PersGes bzw Betriebs-KapGes unverständlich (kritisch waren ebenso Söffing, FR 1993, 61; Söffing, FR 2002, 334, 335; Stoschek/Sommerfeld, DStR 2012, 215; Bode in Brandis/Heuermann, § 15 EStG Rz 613 (EL 154); Gluth in H/H/R, § 15 EStG Rz 801 (EL 280); Krumm in Kirchhof/Seer, § 15 EStG Rz 96 (20. Aufl 2021).
Nach einer Änderung der BFH-Rspr – mit Rücksicht auf die Kritik des Schrifttums, so Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz 835 (43. Aufl 2024; zu Recht lt Krumm in Kirchhof/Seer, § 15 EStG Rz 96 (23. Aufl 2024)) – ist nunmehr auch die nur mittelbare Beherrschung der Besitz-PersGes durch die maßgebliche Personengruppe mittels einer vorgeschalteten KapGes ausreichend, ohne dass diese eine Abschirmwirkung entfaltet: BFH v 16.09.2021, IV R 7/18, BStBl II 2022, 767. Der BFH hat entschieden, dass eine der erweiterten Grundstückskürzung iSd § 9 Nr 1 S 2ff GewStG entgegenstehende Betriebsaufspaltung auch dann begründet werden kann, wenn der maßgebliche Einfluss im Sinne der personellen Verflechtung auf die Besitz-PersGes nur über eine zwischengeschaltete KapGes ausgeübt werden kann. Die Frage des Durchgriffs durch eine juristische Person auf Seiten der Besitz- und der Betriebsgesellschaft kann nur einheitlich beantwortet werden. Der BFH, aaO, Rz 36, 38, sieht deshalb zu Recht keine sachlichen Gründe für die von der bisherigen Rspr bei der Beantwortung der Frage einer personellen Verflechtung vertretene Unterscheidung zwischen einer mittelbaren Beteiligung über eine KapGes an der Betriebs-KapGes und einer solchen an der Besitz-PersGes.
Der III. Senat des BFH hat auf Anfrage des erkennenden Senats mitgeteilt, dass er dem neuen Ansatz des IV. Senats folge und an seiner bisherigen auf den IV. Senat gestützten Rspr nicht mehr festhalte. Der I. Senat des BFH hat mitgeteilt und begründet, dass seine Rspr der vom erkennenden IV. Senat beabsichtigten Rspr-Änderung nicht entgegenstehe (BFH v 16.09.2021, aaO, Rz 40, weil seine Abschirmwirkungs-Rspr nur Fälle der sog kapitalistischen Betriebsaufspaltung – Besitzunternehmen in der Rechtsform einer KapGes – betrifft, s Rn 302 zu (10)).
Das Urt ist nach Schreiben des BMF v 21.11.2022, BStBl I 2022, 1515 und dem koordinierten Ländererlass v 21.11.2022, BStBl I 2022, 1528 (kein Verlust der erweiterten GewSt-Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr 1 S 2ff GewStG) aus Vertrauensschutzgründen als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erst ab dem VZ 2024 zu berücksichtigen. Die Schreiben der FinVerw können vermeiden helfen, dass eine Betriebsaufspaltung, die nur auf der neuen Rspr beruht, bereits in VZ vor 2024 unter Aufdeckung stiller Reserven ungewollt beendet wurde, die Rspr ist daran ggf aber nicht gebunden. Wegen verbleibender Fragen, insb bei einer Mischung aus direkter Beteiligung als auch über eine KapGes (von der FinVerw nicht angesprochen) und zum Zeitpunkt der Einbuchung der nun steuerlich verstrickten WG im BV s Heil/Pupeter, DB 2023, 546.
Im Urteilsfall waren B, C und D als maßgebliche Personengruppe sowohl unmittelbar als Kommanditisten als auch mittelbar über eine mehrheitliche Beteiligung an der Komplementär-GmbH (BV-GmbH) an der Besitzgesellschaft X GmbH & Co KG beteiligt und zugleich auch mittelbar über eine mehrheitliche Beteiligung an der alleinigen Kommanditistin (H GmbH) der Betriebsgesellschaft M GmbH & Co KG beteiligt. Die H GmbH hielt zudem alle Anteile an der Komplementär-GmbH (V GmbH) der M GmbH & Co KG. Maßgeblich für die beherrschende Einflussnahme bei der Besitzgesellschaft war die BV-GmbH als zur Geschäftsführung befugte Komplementär-GmbH, an der B, C und D unmittelbar alle Anteile hielten, bei der Betriebsgesellschaft war es die V GmbH als zur Geschäftsführung befugte Komplementär-GmbH, an der B, C und D mittelbar über die H GmbH alle Anteile hielten. Im Ergebnis konnten B, C und D somit mittelbar über die BV-GmbH maßgeblichen Einfluss auf die X GmbH & Co KG und mittelbar über die H GmbH/V GmbH auch maßgeblichen Einfluss auf die M GmbH & Co KG nehmen.