Rn. 2953
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Hat der Erblasser Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit iSd § 18 Abs 1 Nr 1 EStG bezogen, dann kann die Erbengemeinschaft solche Einkünfte nur dann erzielen, wenn keine berufsfremden Erben an der Erbengemeinschaft beteiligt sind (FG Köln vom 24.06.2015, 14 K 1130/13, EFG 2015, 1923; BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 5). Berufsfremd ist, wer nicht die erforderliche freiberufliche Qualifikation besitzt oder, zB als Minderjähriger, nicht persönlich selbstständig tätig wird (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 5). Dabei müssen die Erben nicht zwingend eine mit der des Erblassers identische Qualifikation haben.
Beispiel: Nicht identische Qualifikation der Erben
Steuerberaterin S verstirbt und wird von ihren beiden Söhnen, die als Rechtsanwälte arbeiten, beerbt.
Da die beiden Söhne zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sind (§ 3 Nr 1 StBerG), können sie den Betrieb fortführen und weiterhin Einkünfte iSd § 18 EStG erzielen.
Rn. 2954
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Ob dies auch gilt, wenn die Tätigkeit de jure nur teilweise fortgeführt werden kann, ist fraglich.
Beispiel: Teilweise überschneidende Qualifikation der Erben
Rechtsanwalt R verstirbt und wird von seinen beiden Töchtern beerbt, die als Steuerberaterinnen tätig sind.
Da beide Töchter nicht umfassend zur Erbringung entgeltlicher Rechtsdienstleistungen befugt sind, erzielen Sie Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit.
- War R ausschließlich auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig und hat nur Leistungen iSd § 1 StBerG erbracht, können die Töchter mE auch weiterhin Einkünfte iSd § 18 EStG erzielen, dürfen jedoch berufsrechtlich nicht als Rechtsanwältinnen auftreten.
- Ist eine Erbin Rechtsanwältin, die andere Steuerberaterin, steht einer Fortsetzung (in Erbengemeinschaft) und der Erzielung selbstständiger Einkünfte nichts entgegen, da auch außerhalb der Erbengemeinschaft Sozietäten aus Steuerberatern und Rechtsanwälten zulässig und die erzielten Einkünfte solche aus § 18 EStG sind (§ 50 Abs 1 StBerG, § 59c Abs 1 BRAO).
Rn. 2955
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Ist zumindest ein Miterbe berufsfremd, erzielt die Erbengemeinschaft aus der bisher freiberuflichen Praxis Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH vom 05.07.1990, GrS 2/89, BStBl II 1990, 837; Urbach, KÖSDI 2019, 21 190). Das betrifft alle Erben, auch die, die über erforderliche berufliche Qualifikation verfügen.
Rn. 2956
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Zu einer Betriebsaufgabe kommt es nicht, wenn mit dem Übergang eine Umqualifizierung des bisher freiberuflichen BV in gewerbliches BV und eine entsprechende Umqualifizierung der aus dem Betrieb erzielten Einkünfte verbunden ist, weil der Erbe, die Miterben oder der Vermächtnisnehmer nicht über die besondere freiberufliche Qualifikation verfügt (BFH vom 12.03.1992, IV R 29/91, BStBl II 1994, 36). Das FG Köln begründet dies unter Rückgriff auf die Abfärberegelung (FG Köln vom 24.06.2015, 14 K 1130/13, EFG 2015, 1923). Dies ist mE unzutreffend, da diese bei Erbengemeinschaft gerade nicht gilt und auch bei einer Umqualifizierung freiberuflicher in gewerbliche Einkünfte evtl ebenfalls vererbte Überschusseinkünfte auch weiterhin nicht infiziert werden. Richtigerweise ergibt sich die Umqualifizierung unmittelbar aus § 15 Abs 2 EStG, wonach die Qualifikation als gewerblich zwingend ist, wenn nicht §§ 13, 18 EStG vorrangig eingreifen.
Rn. 2957
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Eine Umqualifizierung findet ausnahmsweise nicht statt, wenn es sich bei den Einkünften lediglich um nachlaufende Einkünfte nach § 24 Nr 2 EStG handelt (FG Köln vom 24.06.2015, 14 K 1130/13, EFG 2015, 1923); das kann dann der Fall sein, wenn die Erben keinerlei Tätigkeit mehr entfalten (müssen), die die freiberufliche Qualifikation voraussetzen, wenn also lediglich das restliche BV veräußert wird. Dann fällt diese Betriebsveräußerung oder -aufgabe unter § 18 Abs 3 S 1 EStG, s Rn 2916.