Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 396
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Für die Anwendung der Norm ist es ausreichend, wenn
- entweder der Satzungssitz
- oder aber der Ort der Geschäftsleitung
in das Ausland verlegt wird.
Die Verlegung in einen anderen Staat setzt nicht voraus, dass die Gesellschaft zuvor ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung in Deutschland hatte (Schneider in K/S/M, § 17 EStG Rz F 12, 282. EL; Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 355 (April 2021)), s dazu auch das folgende Bsp (s Rn 397).
a) Verlegung des Sitzes
Rn. 397
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Nach § 11 AO befindet sich der Ort als Sitz der Gesellschaft dort, wo er durch das Gesetz, den Gesellschaftsvertrag, die Satzung oder das Stiftungsgeschäft bestimmt ist. Steuerrechtlich bindet sich der Begriff des Sitzes also an das Gesellschaftsrecht.
Hierbei muss zwischen statutarischem Sitz (Ort laut Satzung) und Verwaltungssitz (Ort der Hauptgeschäftsleitung) differenziert werden (Rosner, NWB 2016, 2726). Sofern im Gesellschaftsvertrag ein inländischer Ort als Sitz bestimmt ist, reicht dies für eine unbeschränkte StPfl aus, auch wenn davon abgesehen keine weiteren Beziehungen zum Inland unterhalten werden.
Beispiel (in Anlehnung an Benecke, NWB 2007, 3325, 3328):
Der unbeschränkt StPfl A ist alleiniger Gesellschafter der A-Ltd. Der statutarische Sitz sowie der Ort der Geschäftsleitung der A-Ltd befindet sich in Südafrika. Der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung der A-Ltd werden von Südafrika nach Indien verlegt.
Lösung:
Ursprünglich hatte Deutschland ein ausschließliches Besteuerungsrecht, da Art 11 Abs 2 DBA-Südafrika dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweist. Aufgrund des Wegzugs der A-Ltd nach Indien ist dies jedoch nicht mehr der Fall, da gemäß Art 17 Abs 4 DBA-Indien der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ebenfalls ein Besteuerungsrecht hat und Deutschland zur Anrechnung der indischen Steuer verpflichtet ist (Art 23 Abs 1 Buchst b DBA-Indien). Da hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt wurde, greift aufgrund des Wegzugs der A-Ltd von Südafrika nach Indien § 17 Abs 5 EStG mit der Folge einer fiktiven Veräußerung der Geschäftsanteile zum gemeinen Wert.
Rn. 398
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Das GmbHG und das AktG lassen eine grenzüberschreitende Verlegung des statutarischen Sitzes nicht zu. Im Ergebnis führt die Verlegung des statutarischen Sitzes zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft (s Rn 357ff). Eine Ausnahme hierzu bildet eine Societas Europaea (SE). Diese kann ihren statutarischen Sitz innerhalb der Europäischen Gemeinschaft identitätswahrend verlegen. Dies gilt ebenso für die Europäische Genossenschaft – Societas Cooperativa Europaea (SCE), s El Mahi, DB 2004, 967, 971).
b) Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung
Rn. 399
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Der Ort der Geschäftsleitung bestimmt sich nach dem Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Der für die Geschäftsleitung maßgebliche Ort orientiert sich allein an den tatsächlichen Verhältnissen (Pfirrmann in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rz 90 (Dezember 2022)).
Im Vergleich zum statutarischen Sitz, welcher anhand formeller Kriterien unzweifelhaft festgestellt werden kann, ist die Lokalisierung des Ortes der Geschäftsleitung in der Praxis mitunter gelegentlich schwieriger zu bestimmen (Seibold, IStR 2003, 45). Dabei ist der Wille, den Ort der Geschäftsleitung zu ändern, unbeachtlich. Auch eine unbeabsichtigte Verlagerung des Geschäftsleitungsortes ist ausreichend.
Beispiel (in Anlehnung an Benecke, NWB 2007, 3325, 3327):
Der in einem nicht-DBA-Staat ansässige A ist alleiniger Gesellschafter der A-Ltd. Die A-Ltd hat ihren Sitz in Großbritannien, der Ort der Geschäftsleitung der A-Ltd befindet sich in Deutschland. Der Ort der Geschäftsleitung wird von Deutschland nach Südafrika verlegt.
Lösung:
Ursprünglich hatte Deutschland gemäß § 49 Abs 1 Nr 2 Buchst e Doppelbuchst aa EStG ein Besteuerungsrecht. Durch die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung wird dieses Besteuerungsrecht ausgeschlossen. Es greift § 17 Abs 5 EStG mit der Folge einer fiktiven Veräußerung der Gesellschaftsanteile zum gemeinen Wert.