Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 278
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Bei einem unentgeltlichen Erwerb wurde durch das SEStEG mit Wirkung ab dem VZ 1999 eine Sperrfrist von 5 Jahren eingeführt, durch welche der Verlust, der auf die unentgeltlich erworbenen Anteile entfällt, nicht steuerlich berücksichtigt werden kann. Im Ergebnis wird so verhindert, dass ein nicht relevant Beteiligter seine Anteile an einen relevant Beteiligten verschenkt und damit eigentlich – vor Einführung der AbgSt – nicht einkommensteuerbare Verluste durch unentgeltlichen Anteilserwerb einkommensteuerbar werden.
Folgerichtig findet sich für den Fall, dass der Rechtsvorgänger schon wesentlich beteiligt war und entsprechend selbst den Verlust hätte realisieren können, eine Rückausnahme in § 17 Abs 2 S 6 Buchst a S 2 EStG statt, so dass auch der Erwerber die Verluste richtigerweise berücksichtigen kann.
Bei der Betrachtung des Rechtsvorgängers ist allerdings auch wieder die Verlustausgleichsbeschränkung des § 17 Abs 2 S 6 Buchst b EStG zu beachten. Die Einschränkung der Verlustberücksichtigung bei unentgeltlichem Erwerb gilt nur, insoweit die Sperrfrist von 5 Jahren noch nicht überschritten ist. Nach Ablauf dieses Zeitraums ist § 17 Abs 2 Buchst a EStG nicht mehr einschlägig. Auch eine missbräuchliche Gestaltung iSd § 42 AO ist im oben beschriebenen Fall ausgeschlossen, da ein potentieller Missbrauchsfall vom Gesetzgeber durch die einzelsteuergesetzliche Missbrauchsvorschrift abschließend bewertet und geregelt ist. Der Maßstab, wann ein Missbrauch vorliegt, wurde lex specialis (§ 17 EStG) schon festgelegt, so dass eine allgemeine Missbrauchsverhinderungsvorschrift lex generali (§ 42 AO) nicht zur Anwendung kommt.
Rn. 279
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Aus der in § 17 Abs 2 S 6 Buchst b S 2 EStG enthaltenen Formulierung "anstelle des StPfl" ist nach zutreffender Auffassung zu entnehmen, dass es darauf ankommt, ob der Schenker den Verlust hätte geltend machen können, wenn ihm zum Zeitpunkt der Veräußerung die Anteile zuzurechnen gewesen wären (glA Gosch in Kirchhof/Seer, § 17 EStG Rz 114 (22. Aufl); Pung/Werner in D/P/M, § 17 EStG Rz 400; Wendt, FR 1999, 343, 347) aA – Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich – Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 147 (42. Aufl)). In Grenzfällen ist es entscheidend, ob auf den Zeitpunkt der Schenkung oder auf den Zeitpunkt der Veräußerung abzustellen ist.
Beispiel (in Anlehnung an Gosch in Kirchhof/Seer, § 17 EStG Rz 114 (22. Aufl)):
A erwarb in 2016 10 % der Anteile an einer KapGes. 9,5 % veräußert er in 2017 an C, 0,5 % schenkt er in 2019 an B, der bereits 10 % innehat und sämtliche 10,5 % in 2023 mit Verlust verkauft.
Lösung:
Bei B ist nur der auf 10 % bezogene Verlust abziehbar, der auf 0,5 % bezogene nicht, weil A (in 2023, zum Zeitpunkt der Veräußerung) nicht innerhalb der letzten fünf Jahre iSd § 17 EStG beteiligt war.
Anders verhält es sich, wenn B seine 10,5 % bereits in 2021 veräußert hätte, dann wäre auch der auf die 0,5 % entfallende Verlust abziehbar.
Rn. 280
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Derzeit ist strittig, ob für eine Verlustverrechnung durch Veräußerung unentgeltlich erworbener Anteile gemäß der Rückausnahme in § 17 Abs 2 S 6 Buchst a S 2 EStG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt wird, dass der Beschenkte eine Einkünfteerzielungsabsicht hatte (Echarri/Sumalvico, DB 2017, 630). Dies ist mE mit dem FG Ha vom 25.11.2015, 2 K 258/14 zu verneinen, und es reicht aus, dass ursprünglich beim Schenker der Anteile eine Einkünfteerzielungsabsicht gegeben war. Da im Fall des FG Ha jedoch fraglich war, ob die Anteile überhaupt unentgeltlich, oder aber – wie unter fremden Dritten üblich – entgeltlich, übergegangen sind, hat der BFH die Sache an das FG Ha zurückverwiesen (BFH vom 09.05.2017, IX R 1/16, BFH/NV 2018, 79). Zu der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage, ob auch ein Rechtsnachfolger Einkünfteerzielungsabsicht haben muss, hat der BFH keine Stellung genommen.
Beispiel:
A hält 25 % der Anteile an der X-GmbH, welche er am 03.04.2017 entgeltlich erworben hatte. Er verschenkt 0,8 % seiner Beteiligung zum 05.04.2023 an B. Dieser veräußert diese noch innerhalb eines Jahres zum 08.08.2023 weiter (uU auch an eigene KapGes). Da der Veräußerungspreis kleiner als die anteiligen ursprünglichen AK von A ist, entsteht B ein Verlust.
Lösung:
Dieser Verlust unterliegt nicht den Beschränkungen des § 17 Abs 2 S 6 Buchst a EStG, da sein Rechtsvorgänger den Verlust hätte geltend machen können. Im Ergebnis kann also auch B den Verlust aus der Veräußerung des infizierten Anteils steuerlich nutzen und ihn mit anderen positiven Einkünften verrechnen.
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die eigentliche Schenkung nicht die 0,8 %ige Beteiligung als solche, sondern die in den Anteilen immanenten Verluste und die damit verbundene Verlustverrechnungsmöglichkeit nach Veräußerung beim Beschenkten. Dieses latente Verlustverrechnungspotenzial unterliegt nicht der ErbSt, da hier nur auf den gemeinen Wert der Gesellschaftsanteile (Ertrag- oder Substanzwert) ab...