Rn. 127

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

§ 19a Abs 4 S 4 EStG macht von der vorzunehmenden Nachversteuerung der Höhe nach eine Ausnahme. Ist der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen des ArbN bei der verbilligten Übertragung niedriger als der nach § 19a Abs 1 EStG nicht besteuerte Arbeitslohn, so unterliegt nur der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen der Besteuerung.

Die Regelung des § 19a Abs 4 S 4 EStG erscheint aus systematischer Sicht bedenklich. Wertminderungen der Beteiligung unterliegen den Regelungen der §§ 17 bzw 20 EStG und sind dort zu berücksichtigen. Diese Systematik durchbrechend hat der Gesetzgeber angeordnet, dass Wertminderungen bereits iRd § 19 EStG zu berücksichtigen sind und eine Besteuerung bereits zu diesem Zeitpunkt unterbleiben soll. § 19a Abs 4 S 4 EStG ist daher uE eine spezielle gesetzliche Billigkeitsregelung iRd Steuerfestsetzung, die insoweit allgemeine Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO ausschließt. Der ArbN soll einen nicht mehr existenten Vorteil auch nicht mehr versteuern müssen, in diesem Sinne auch BT-Drucks 19/27631, 111.

 

Rn. 128

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Besteuert wird folglich nur der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung im Zeitpunkt der Nachversteuerung nach § 19a Abs 4 S 1 EStG abzüglich geleisteter Zuzahlungen. Übersteigen die Zuzahlungen den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Nachversteuerung, ist kein Verlust zu berücksichtigen; es erfolgt ein Ansatz mit einem Wert von 0 EUR (vgl Fahsel/Bergan, FR 2021, 729, 737; Bleschick in BeckOK EStG, § 19a Rz 269 (11. Ed 01.10.2021); BMF v 16.11.2021, BStBl I 2021, 2308 Rz 51). Dies folgt aus dem Verständnis von § 19a Abs 4 S 4 EStG als spezielle gesetzliche Billigkeitsregelung, die lediglich eine Besteuerung verhindern will, darüber hinaus aber nicht zu einer Steuerermäßigung iRd LSt-Abzugs führen soll.

Bestätigt wird dieses Verständnis durch § 19a Abs 4 S 5 EStG, der das Verhältnis zu den §§ 17 u 20 EStG regelt. Hiernach gilt neben den geleisteten Zuzahlungen der tatsächlich besteuerte Arbeitslohn als AK iSd §§ 17 u 20 EStG. Kommt es aufgrund des zwischenzeitlich eintretenden Wertverlustes zu keiner Besteuerung, verbleibt als Ansatz in der Folge nur die iRd Erwerbes geleistete Zuzahlung.

 
Praxis-Beispiel

Beispiele (nach BMF v 16.11.2021, BStBl I 2021, 2308 Rz 51 mit Ergänzung):

 
  A B C D E F G H
gemeiner Wert bei Überlassung 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000
Zuzahlung des ArbN 0 0 0 0 0 1 500 1 500 1 500
steuerfrei nach § 3 Nr 39 EStG 1 440 1 440 1 440 1 440 1 440 1 440 1 440 1 440
nicht besteuerter Vorteil 8 560 8 560 8 560 8 560 8 560 7 060 7 060 7 060
AK §§ 17, 20 EStG 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000
Verkauf für … bzw gemäß Wert nach Ablauf von 12 Jahren/bei Beendigung des Dienstverhältnisses von … 12 000 9 000 7 000 8 560 8 559 9 000 7 000 Totalverlust
nachgeholt zu besteuern

8 560

(weil 12 000 ≥ 8 560)

8 560

(weil 9 000 ≥ 8 560)

7 000

(weil 7 000 < 8 560)

8 560

(weil 8 560 = 8 560)

8 559

(weil 8 559 < 8 560)

7 060

(weil [9 000–1 500] ≥ 7 060)

5 500

(weil [7 000–1 500] < 7 060)

0

(weil [0–1 500] < 0)
geänderte AK nein nein 7 000 nein 8 559 nein

7 000

(1 500 + 5 500)

1 500

(1 500 + 0)
zu besteuern nach §§ 17, 20 EStG

2 000

(12 000 –10 000)

–1 000

(9 000–10 000)

0

(7 000–7 000)

–1 440

(8 560–10 000)

0

(8 559–8 559)

–1 000

(9 000–10 000)

0

(7 000–7 000)

–1 500

(0–1 500)

Die Beispiele D und E machen deutlich, dass die Anwendung der Billigkeitsregelung in § 19a Abs 4 S 4 u 5 EStG, die uE zwingend ist ("so unterliegt nur…"), in Fällen in denen der Verkaufspreis nur geringfügig unter dem nicht besteuerten Vorteil liegt, im Ergebnis der Freibetrag nach § 3 Nr 39 EStG iRd Besteuerung nach §§ 17, 20 EStG "verloren geht".

Dieses Ergebnis erscheint unsystematisch. Im Rahmen einer gesetzlichen Billigkeitsregelung hat der Gesetzgeber uE jedoch einen weiten Spielraum. Ordnet er eine endgültige Nichtbesteuerung an, so ist es ihm uE auch möglich, dies mit der Minderung anderer Vergünstigungen (hier einer Verlustberücksichtigung) zu verknüpfen.

 

Rn. 129

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

§ 19 Abs 4 S 6 EStG schließt die Anwendung von § 19a Abs 4 S 4 u 5 EStG für die Fälle aus, in denen die Wertminderung nicht betrieblich veranlasst ist oder diese auf einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme, insbesondere einer Ausschüttung oder Einlagenrückgewähr, beruht. Die "Rücknahme" der Billigkeitsregelung in § 19a Abs 4 S 4 EStG ist uE folgerichtig. Der StPfl, dh der ArbN, ist nicht schützenswert, oder – anders gewendet – die Festsetzung der Steuer ist nicht unbillig, wenn der StPfl den Verlust aus nicht betrieblichen (idR privaten)/gesellschaftsrechtlichen Gründen selbst verursacht hat, in diese Richtung auch Baldauf in Brandis/Heuermann, § 19a EStG Rz 179 (158. EL August 2021).

UE ist hier eine rein arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise geboten, auch wenn der Wortlaut insoweit von "betrieblich" spricht, da es allein um die Besteuerung des ArbN geht. Hat der ArbN folglich ni...

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