1. Der Grundsatz der Individualbesteuerung
Rn. 124
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Der ESt unterliegen nach § 2 Abs 1 S 1 EStG die Einkünfte "des StPfl" (Grundsatz der Individualbesteuerung). Dieser Grundsatz beherrscht das EStG (BVerfG BStBl I 1957, 193). Jede natürliche Person ist aus der Sicht des ESt-Rechts gesondert zu betrachten. Dies bedeutet:
- Sonderung der Einkünfte: Alle Einkünfte sind nach den Personen zu sondern, denen sie zufließen.
- Nur eigene Einkünfte werden besteuert: Jede Person unterliegt nur mit ihren Einkünften der Besteuerung.
- Trennung von Einkünften anderer Personen: Für jede Person sind ihre Einkünfte von den Einkünften anderer Personen zu trennen, auch bei gemeinsamem Wirtschaften (zB in der Familie), unabhängig auch vom Alter der StPfl, auch Minderjährige können eigene Einkünfte beziehen. Der Grundsatz gilt auch bei Zusammenveranlagung von Eheleuten. § 26b EStG geht davon aus, dass zunächst die Einkünfte, die die Ehegatten (jeder für sich) erzielt haben, zu ermitteln sind. Erst bei der Summe der Einkünfte (s Rn 151) werden sie zusammengerechnet.
- Es gibt keine subjektiven Steuerbefreiungen für natürliche Personen im ESt-Recht, die sich mit den subjektiven Befreiungen für Körperschaften im KSt-Recht (§ 5 KStG) vergleichen ließen. Auch Ordensleute und ausschließlich gemeinnützig handelnde Menschen sind nicht generell von der Steuer befreit. Der Letzte, der für sich eine subjektive Befreiung im ESt-Recht (unberechtigt) erhalten hatte, war Hitler (Pausch, Hitlers Steuerfreiheit, DStZA 1970, 182), und zwar aufgrund eines Schreibens des Präsidenten des Landes-FA Mchn, Ludwig Mirre, v 19.12.1934 an den Vorsteher des FA München III (s Freiburg, Der Spiegel v 16.12.2004).
Rn. 125
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Die Individualbesteuerung entspricht dem GG. Die Verfassung schützt das Einkommen als Privateigentum der einzelnen Menschen (s Art 14 Abs 1 GG) und erlaubt den Steuerzugriff nur, weil die Leistungsfähigkeit des Betroffenen sich gesteigert hat.
Der Grundsatz der Individualbesteuerung gilt auch im Verhältnis von Erblasser und Erbe. Auch Erblasser und Erbe sind steuerlich gesehen nicht eine Person. Der Erbe kann daher nur nach seinen eigenen Einkommensverhältnissen beurteilt werden. Zur Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs s Rn 302.
Rn. 126
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Der Grundsatz der Individualbesteuerung bedeutet aber nicht,
- dass nur auf den eigenen Bedarf bezogene Aufwendungen steuermindernd abziehbar sind. Haben Eltern für ihre Kinder aufzukommen, wird die Leistungsfähigkeit der Eltern durch Unterhaltspflichten gemindert. Das Existenzminimum der Kinder ist daher bei den Eltern als Abzugsposten abzusetzen (s Rn 329, 333ff). Zum Thema "Drittaufwand" s § 7 Rn 44ff (Handzik) und Nacke, NWB 44/2021, 3250.
- dass Besteuerungsgrundlagen für mehrere Personen nicht einheitlich festgestellt werden könnten (§ 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO).
2. Die persönliche Zurechnung der Einkünfte
Rn. 127
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Damit die Einkünfte jedes StPfl gesondert erfasst werden können, ist zu fragen, welche Einkünfte ihm persönlich zuzurechnen sind. Insbesondere wegen der progressiven Besteuerung ist dies bedeutsam. Unabhängig vom Steuerrecht mag es für die Angehörigen einer Familie bedeutungslos sein, wer von ihnen welche Einkünfte erzielt, solange alles Geld in einen Topf fließt, aus dem die Ausgaben bestritten werden. Steuerlich macht es aber wegen des progressiven Tarifs einen großen Unterschied, ob einer viel oder ob mehrere wenig – wenn auch in der Summe gleich viel – verdienen. Daher wird insbesondere unter Familienangehörigen das Problem der persönlichen Zurechnung der Einkünfte relevant. Das EStG regelt die persönliche Zurechnung von Einkünften, Einnahmen oder Abzügen nur für Sonderfälle (vgl zB § 28, § 33b Abs 5 EStG). Im Übrigen ist nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden.
Rn. 128
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Nach § 2 Abs 1 S 1 EStG sind die Einkünfte der Person zuzurechnen, die sie erzielt. Es kommt damit nicht entscheidend darauf an, wer zB die Mietzinszahlung im Fall der VuV im Ergebnis tatsächlich erhält. Maßgeblich ist vielmehr, auf wessen Tätigkeit und/oder Vermögenseinsatz die Zahlung zurückgeht, wer also als Vermieter die Basis für die Mietzinszahlung schafft und über den Mietzinszahlungsanspruch disponiert. Nur er erwirtschaftet den Vermögenszufluss und erzielt damit die steuerlich relevanten Einkünfte.
Beispiel:
Vermietet zB der Ehemann A sein Haus mit der Bestimmung, dass der Mietzins auf ein Konto seiner Frau B zu überweisen sind, so fließen die Geldbeträge der Mietzinszahlungen in das Vermögen der Ehefrau B.
Die Einkünfte aus VuV bezieht jedoch der Ehemann A, weil er als Partner des Mietvertrages die wirtschaftlichen Grundlagen für die Mietzinszahlung schafft und durch entsprechende Änderung des Kontos jederzeit selbst über den Zufluss der Mietzinsen disponieren kann. Nur er erwirtschaftet und erzielt daher die Mietzinszahlungen, denn ihm gegenüber wird der Mietzinszahlungsschuldner durch die Überweisung der geschuldeten Gelder an Frau B von der vertraglichen Zahlungspflicht befr...