Rn. 139
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Was konkret unter einer Doppelbesteuerung zu verstehen ist, hat das BVerfG weder begrifflich noch rechnerisch konkretisiert. Es hat lediglich dargelegt, dass als steuerbares Einkommen die erstmalige Realisierung einer Vermögensmehrung, nicht aber ein erfolgsneutraler Vermögenstausch oder gar ein Vermögensverbrauch in Betracht kommt.
Es besteht insofern Einigkeit darüber, dass hinsichtlich der Frage der Doppelbesteuerung zum einen die Besteuerung der Rentner während der gesamten Erwerbsphase bzw die steuerliche Abzugsfähigkeit der während dieses Zeitraums geleisteten Rentenbeitragszahlungen und zum anderen die Besteuerung der Rentenzuflüsse während des gesamten Rentenbezugszeitraums zu untersuchen und miteinander zu vergleichen sind. Eine doppelte Besteuerung kann ausgeschlossen werden, wenn die Ermittlung ergibt, dass die Summe der steuerfreien Teile der voraussichtlichen zukünftigen Rente bzw die nicht in die Bemessungsgrundlage der ESt eingehenden Teile des Rentenzuflusses mindestens die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendung erreicht (BVerfG v 29.09.2015, 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310; BFH BStBl II 2016, 733; 2014, 58; 2011, 567; BFH/NV 2015, 1369; FG BdW EFG 2020, 116, Rev X R 33/19; FG He EFG 2020, 191, Rev X R 20/19). In einem solchen Fall ist nach nahezu einhelliger Auffassung sichergestellt, dass die aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge im Zeitpunkt des Rentenzuflusses nicht nochmals besteuert werden (Sachverständigenkommission, BMF-Schriftenreihe Bd 74, 48 ff; Kulosa in H/H/R, § 10 EStG Rz 341; aA Chirvi/Maiterth, StuW 2019, 130; Siepe, DStR 2019, 2568). Positiv formuliert liegt somit eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vor, soweit die Summe der steuerunbelastet bleibenden Teile der voraussichtlichen künftigen Rentenbezüge des jeweiligen StPfl unter Berücksichtigung der zu Beginn der Rentenphase geltenden statistischen Lebenserwartung die Summe der von ihm aus versteuertem Einkommen geleisteten entsprechenden Altersvorsorgeaufwendungen unterschreitet.
Synoptisch lässt sich der insoweit erforderliche rechnerische Abgleich wie folgt darstellen:
Gesamt-Rentenversicherungsbeträge aus |
|
Gesamt-Rentenbezüge |
unversteuertem Einkommen |
versteuertem Einkommen |
← steuerfreier Teil ← mindestens so groß wie Summe der Beiträge aus versteuertem Einkommen |
steuerfreier Fall |
stpfl Teil |
Dementsprechend hat der Gesetzgeber die Rentenbezüge insoweit von der Steuerbarkeit auszunehmen, als die geleisteten Rentenversicherungsbezüge aus versteuerten Einkommen stammen. Auf der anderen Seite steht der auf dem Rückfluss von Beiträgen, die aus unversteuertem Einkommen geleistet wurden, dh deren Besteuerung in der Vergangenheit unterblieben ist, sowie der auf Gewinnanteilen beruhende komplementäre Anteil der Rentenbezüge für Besteuerungszwecke zur Verfügung.
Rn. 140
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Die Ermittlung der zu vergleichenden Summe der aus versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträgen und Summe der zukünftigen steuerfreien Rentenbezüge hängt von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren sowohl auf der Beitrags- als auch der Leistungsseite ab. Abhängig davon, welche Faktoren bzw in welchem Maße diese Berücksichtigung finden, kommen die Modellrechnungen hinsichtlich der Erwerbs- und Rentenbezugsbiografien typisierter Rentenempfänger zu unterschiedlichen Ergebnissen. Je geringer die Summe der Gesamt-Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen und je höher der steuerfreie Teil der Gesamt-Rentenbezüge ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Übergangsregelung eine Doppelbesteuerung nicht zur Folge hat. Umgekehrt hat die Nichtberücksichtigung von Abzugsbeträgen bei den Rentenversicherungsbeiträgen in der Erwerbsphase und von Hinzurechnungsbeträgen zum steuerfreien Teil der Rentenbezüge in der Bezugsphase zur Folge, dass es in einer größeren Zahl von Fällen zu Doppelbesteuerungen kommt, die dann die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung aufwerfen.