Rn. 210
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Die einkommensteuerliche Begriffsbestimmung des Pflegekindes ergibt sich aus § 32 Abs 1 Nr 2 EStG, sie ist enger als der allgemeine Begriff des Pflegekindes in § 15 Abs 1 Nr 8 AO. Bei dem Klammerzusatz handelt es sich um eine Legaldefinition, sodass die darin enthaltenen Umstände echte Tatbestandsvoraussetzungen und nicht nur erläuternde Nebenbestimmungen darstellen, BFH v 09.02.2012, III R 15/09, BStBl II 2012, 739; vgl auch Selder, NWB 2012, 2136.
Zur Vermeidung von Doppelberücksichtigungen sind Pflegekinder vorrangig bei den Pflegeeltern und nicht bei den leiblichen Eltern zu berücksichtigen, vgl Brockmeyer, DStZ 1996, 225.
Pflegekinder sind nach der Legaldefinition im Klammerzusatz des § 32 Abs 1 Nr 2 EStG Personen, die durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band mit dem StPfl verbunden sind, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat, und bei denen ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Führt das Kind einen eigenen Haushalt, ist es trotz gegenseitiger Besuche und finanzieller Unterstützung nicht als Pflegekind zu berücksichtigen, FG Köln v 25.11.2015, 14 K 1304/15.
Rn. 211
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Das Pflegekindschaftsverhältnis muss den Kindschaftsverhältnissen iSd § 32 Abs 1 Nr 1 EStG ähnlich sein, BFH v 25.01.1971, GrS 6/70, BStBl II 1971, 274; BFH v 07.09.1995, III R 95/93, BStBl II 1996, 63; BFH v 09.02.2012, III R 15/09, BStBl II 2012, 739; zur Entwicklung des einkommensteuerlichen Begriffs des Pflegekindes vgl Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 41 (05/2023).
1. Familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band
Rn. 212
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Zwischen den Pflegeeltern und dem Kind muss – vergleichbar den Kindschaftsverhältnissen nach § 32 Abs 1 Nr 1 EStG – ein dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliches Band bestehen. Zwischen dem Pflegelternteil und dem Pflegekind muss ein Autoritätsverhältnis bestehen, aufgrund dessen sich das Pflegekind der Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsmacht des Pflegeelternteils unterwirft, BFH v 09.02.2012, III R 15/09, BStBl II 2012, 739. Dies erfordert, dass das Kind auf Dauer in die Familie der Pflegeeltern aufgenommen und von diesen wie ein eigenes Kind betreut wird, R 32.2 Abs 1 EStR 2012.
Die Pflegeeltern müssen das Kind wie ein eigenes betreuen und erziehen, vgl BFH v 20.01.1995, III R 14/94, BStBl II 1995, 582, sämtliche wesentlichen Entscheidungen für das Kind treffen und für das Kind zu den maßgebenden Ansprechpartnern und damit zu Ersatzeltern geworden sein, BFH v 07.09.1995, III R 95/93, BStBl II 1996, 63. In Bezug auf die Freundin des Stiefsohnes fehlt es deshalb an einem familienähnlichen Band, FG Hamburg v 08.03.2002, II 308/01, EFG 2002, 993.
Auf die Frage, wem das Sorgerecht für das Kind zusteht, kommt es insofern nicht an, denn die Personensorge kann auch darin bestehen, das Kind einer dritten Person als Pflegekind zu überlassen, BFH v 20.01.1995, III R 14/94, BStBl II 1995, 582. Dies ist zB der Fall bei der Hilfe zur Erziehung iS einer Vollzeitpflege nach § 33 iVm § 27 SGB VIII, FG Münster v 30.07.1998, 3 K 7530/97 Kg, EFG 1999, 74. Als Indiz für eine familienähnliche Bindung kann eine v Jugendamt nach § 44 SGB VIII erteilte Pflegeerlaubnis gewertet werden.
Rn. 213
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Weiter setzt die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses voraus, dass es sich um ein "auf längere Dauer berechnetes" Band handeln muss, BFH v 09.02.2012, III R 15/09, BStBl II 2012, 739; von Bedeutung ist deshalb, wie sich die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses zwischen der pflegenden Person und der gepflegten Person darstellt. Dazu muss die pflegende Person beabsichtigen, die bereits entstandene familiäre Bindung auch zukünftig langjährig aufrecht zu erhalten. Dabei wird im Regelfall eine beabsichtigte Dauer von zwei Jahren ausreichend sein (ebenso H 32.2 EStH 2022 "Familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band; nicht zu Erwerbszwecken"; A 11.3 Abs 2 S 3 DA-KG 2024); BFH v 09.02.2012, III R 15/09, BStBl II 2012, 739; vgl auch FG Niedersachsen v 11.06.2013, 13 K 30/13, EFG 2013, 1859: Aufnahme bis zum Abschluss der Ausbildung.
Allerdings kann ausnahmsweise auch ein Zeitraum von drei Jahren noch nicht ausreichend ist, um von einer ideellen Bindung zwischen der pflegenden Person und dem Pflegekind auszugehen, BFH v 08.01.2014, XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686. Die StPfl müssen die Absicht haben, die Rolle von Ersatzeltern zu übernehmen, Brockmeyer, DStZ 1996, 225. Davon ist auszugehen, wenn nur unter bestimmten, in zeitlicher Hinsicht nicht vorhersehbaren Bedingungen mit einer vorzeitigen Beendigung der Pflegekindschaft zu rechnen ist, BFH v 07.09.1995, III R 95/93, BStBl II 1996, 63. Maßgebend ist insoweit die Absicht der Pflegeeltern, BFH v 20.01.1995, III R 14/94, BStBl II 1995, 582. Waren die Pflegeeltern zu einer langfristigen Aufnahme entschlossen, ist eine tatsächlich nur kurze Haushaltsaufnahme unschädlich, BFH v 09.02.2012, III R 15/09, BStBl II 2012, 739.
Bei einer Bereitschaftspflege handelt e...