Rn. 945
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Ab dem VZ 2012 erfolgt dann keine Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf desjenigen Elternteils, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, wenn dieser Elternteil der Übertragung deshalb widerspricht, weil er Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in nicht unwesentlichen Umfang betreut. Insoweit hat sich die Rechtslage geändert, weil zuvor der Freibetrag auf bloßen Antrag zu übertragen war und der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet war, der Übertragung selbst dann nicht widersprechen konnte, wenn er Kinderbetreuungskosten getragen oder das Kind selbst betreut hatte.
Rn. 946
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
In welcher Form der Widerspruch zu erfolgen hat, legt § 32 Abs 6 S 9 EStG nicht selbst fest. Da es sich bei dem Widerspruch gemäß § 32 Abs 6 S 9 EStG nicht um einen solchen im Sinne eines Rechtsbehelfs handelt, kann dieser Widerspruch formlos eingelegt werden, Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 32 EStG Rz 134 (08/2023). Ausreichend ist jedenfalls die Einreichung eines zulässigen Einspruchs gegen den ESt-Bescheid, BFH v 08.11.2017, III R 2/16, BStBl II 2018, 266; BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 11).
Rn. 947
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Bei den Kinderbetreuungskosten handelt es nicht nur um solche iSv § 10 Abs 1 Nr 5 EStG, sondern um alle Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung (BT-Drs 17/6146, 19), so auch Aufwendungen für die Unterbringung des Kindes am Wochenende und für gemeinsame Urlaube, Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 152 (08/2021); BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 8.
In welchem Umfang der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten getragen haben muss, damit er der Übertragung mit Erfolg widersprechen kann, ergibt sich aus § 32 Abs 6 S 9 EStG nicht ausdrücklich. Trägt dieser Elternteil die betreffenden Kosten in einem nur unwesentlichen Umfang, hindert dies eine Übertragung des Freibetrags jedoch nicht, Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 152 (03/2021); hingegen ist es nicht erforderlich, dass der der Übertragung widersprechenden Elternteil in einem wesentlichen Umfang derartige Kosten trägt. Betreuungsleistungen anderer Familienangehöriger, zB der Großeltern, die diese ohne Zutun eines Elternteils erbringen, können diesem nicht zugerechnet werden, so dass er der Übertragung des Freibetrags nicht widersprechen kann, aA FG RP v 26.01.2023, 6 K 1165/21 (Rev BFH III R 2/24).
Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut scheidet ferner dann eine Übertragung des Freibetrags aus, wenn der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung deshalb widerspricht, weil er das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Nach BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 9 ist maßgebend für eine regelmäßige Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind, der erkennen lässt, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnimmt, dh fortdauernd und immer wieder in Kontakt zum Kind steht; kurzzeitige, anlassbezogene Kontakte reichen hingegen nicht aus. Es genügt, wenn die Betreuungsleistungen des widersprechenden Elternteils die Schwelle der Unwesentlichkeit (10 %) überschreiten, ob dies der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, BFH v 08.11.2017, III R 2/16, BStBl II 2018, 266; vgl dazu FG Niedersachsen v 19.02.2020, 9 K 20/19, EFG 2020, 934; vgl dazu Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 152 (03/2021); Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 192 (05/2023).
Mit der Neuregelung will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass in Trennungsfällen in zunehmendem Maße beide Elternteile den Betreuungs- und Erziehungsbedarf sicherstellen, BT-Drs 17/6146, 19.
Rn. 948
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Widerspricht der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf, hat das FA iRd Veranlagung desjenigen Elternteils, der die Übertragung beantragt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen begründeten Widerspruch vorliegen. Dazu ist der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, anzuhören. Es ergeht kein eigener VA des FA, BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 10; Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 153 (03/2021). Erfolgt eine Übertragung des Freibetrags, ohne dass das FA den Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, angehört hat, ist bei einem später erfolgten begründeten Widerspruch dieses Elternteils der ESt-Bescheid des Elternteils, auf den der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf übertragen worden ist, nach § 175 Abs 1 Nr 2 AO zu ändern, BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 10; Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 153 (03/2021); Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 192 (05/2023).
Rn. 949–959
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
vorläufig frei