1. Grundsätze
Rn. 350
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Seit dem VZ 2011 regelt § 32d Abs 2 Nr 4 EStG das materielle Korrespondenzprinzip im Bereich der AbgSt. Damit wurde die Durchsetzung des Prinzips, neben seiner Anwendung beim Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr 40 Buchst d S 2–4 EStG und bei der körperschaftsteuerlichen Freistellung nach § 8b Abs 1 S 2–5 KStG, zunächst vor allem für vGA (§ 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG) lückenlos gewährleistet. Zur Notwendigkeit einer expliziten gesetzlichen Anordnung eines steuerlichen Korrespondenzprinzips FG Münster vom 14.05.2018, 13 K 4040/15 K, G, F, EFG 2017, 1217; Weiss, ISR 2018, 306; Weiss, DStR 2023, 1097, 1103 mwN.
Rn. 351
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Vor der Umsetzung des materiellen Korrespondenzprinzips auch bei der AbgSt durch das JStG 2010 (s Rn 23) war ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Vorschriften zur Milderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung entstanden, da diese bei der AbgSt teilweise ohne Berücksichtigung des materiellen Korrespondenzprinzips gewährt wurden (zur Rechtslage vor Einführung Dinkelbach, DB 2009, 870, 874), da das materielle Korrespondenzprinzip nur auf vGA anwendbar war.
Rn. 352
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Um die Anwendung des Prinzips abzusichern, wurde die Regelung durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) auf alle KapErtr nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG und § 20 Abs 1 Nr 9 EStG ausgedehnt, insb auch auf offene Gewinnausschüttungen (Adrian/Franz, BB 2013, 1879, 1885). Anzuwenden war die Neuregelung erstmals auf Bezüge oder Einnahmen, die nach dem 31.12.2013 zugeflossen sind (§ 52 Abs 44a EStG aF).
Rn. 353
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Das materielle Korrespondenzprinzip verhindert eine steuerliche Begünstigung auf Ebene des Anteilseigners der Körperschaft, soweit auf Ebene der leistenden Körperschaft eine Minderung des Einkommens zu verzeichnen ist (BFH vom 13.06.2018, I R 94/15, BStBl II 2020, 755 Rz 14ff). Durch die Verwendung des Wortes "soweit" wird angezeigt, dass auch eine teilweise Anwendung in Betracht kommt, wenn auf Ebene der leistenden Körperschaft nur eine teilweise Korrektur des Einkommens erfolgt ist.
Insb bei Ansässigkeit der leistenden Körperschaft im Ausland werden derartige Unterschiede häufig durch unterschiedliche Maßstäbe bei der Korrektur von vGA (zur deutschen Sichtweise § 8 Abs 3 S 2 KStG; R 8.5–8.8 KStR 2022) induziert. S für ein Bsp, bei dem das materielle Korrespondenzprinzip zeitlich noch nicht anwendbar war, BFH vom 11.10.2017, I R 42/15, BFH/NV 2018, 616; zur heutigen Rechtslage Weiss, IWB 2018, 481, 487 mwN.
2. Anwendungsbereich
Rn. 354
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Anwendbar ist das Prinzip, sowohl in § 3 Nr 40 Buchst d S 2–4 EStG als auch in § 8b Abs 1 S 2–5 KStG und § 32d Abs 2 Nr 4 EStG, sowohl auf die Leistungen inländischer als auch ausländischer Körperschaften (FG Hessen vom 14.12.2020, 9 K 1266/17, EFG 2021, 377 Rz 36). Der Tatbestand unterscheidet insoweit nicht, auch wenn das materielle Korrespondenzprinzip ganz wesentlich die Entstehung doppelt unbesteuerter bzw begünstigter ("weißer", nicht durch KSt vorbelasteter) Einkünfte zum Ziel hat (Fischer, StuB 2013, 627). Dieses Problem stellt sich typischerweise in grenzüberschreitenden Kontexten.
Rn. 355
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Durch Einführung bzw Ausdehnung des materiellen Korrespondenzprinzips hat die Bundesrepublik Deutschland insoweit die Forderungen der OECD in ihrem BEPS-Projekt, insb für Nr 2 ("Hybrid Mismatches"), weitreichend umgesetzt (Schnitger/Weiss, IStR 2014, 508; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503, 1504).
Rn. 356
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Betroffen von der Regelung sind alle Einnahmen nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG und nach § 20 Abs 1 Nr 9 EStG, unabhängig davon, ob es sich um inländische oder ausländische Einkünfte (§ 34d Nr 6 EStG) handelt. Bei ausländischen Einkünften ist darauf zu achten, dass aus deutscher Sicht ein KapErtr iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG vorliegen muss. Insb ist dafür ein Rechtstypenvergleich erforderlich (dazu BMF vom 19.03.2004, BStBl I 2004, 411, "LLC-Erlass"; BFH vom 18.05.2021, I B 76/20, BFH/NV 2021, 1491 (AdV)), wenn die leistende Körperschaft im Ausland ansässig ist (AbgSt-E BMF BStBl I 2022, 742 Tz 2f).
Rn. 357
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Nicht umfasst sind etwa Zinsen iSd § 20 Abs 1 Nr 4 und 7 EStG, deren fehlende Abziehbarkeit, etwa aufgrund der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG), nicht auf die Gewährung des AbgSt-Satzes einwirkt (s aber die zwingenden Ausschlüsse der AbgSt in § 32d Abs 2 Nr 1 EStG; s Rn 150ff). Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich aufgenommen worden sind Einkünfte nach § 20 Abs 1 Nr 2 EStG (umfassend zu den betroffenen KapErtr Haisch/Helios/Niedling, DB 2013, 1444, 1445).
Rn. 358–359
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vorläufig frei
3. Rechtsfolgen
Rn. 360
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Der AbgSt-Satz ist – vorbehaltlich der Rückausnahme in § 32d Abs 2 Nr 4 Hs 2 EStG (s Rn 370ff) – insoweit zu versagen, als eine Minderung des Einkommens bei der leistenden Körperschaft festzustellen ist. Dies kann, bei teilweiser Korrektur des Einkommens der leistenden Kö...