Rn. 41
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Für den Abzug als ag Belastung stellt § 33 EStG mit dem Begriff der Aufwendung (dazu unten s Rn 69ff) gemäß § 11 Abs 2 EStG auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Verausgabung ab (BFH BStBl II 1982, 744; 1999, 766; 2014, 684; 2017, 979; BFH/NV 2004, 339; 2008, 1136). Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich, wenn Aufwendungen aus einem Darlehen bestritten werden (BFH BStBl II 2011, 389 mwN). Nach Ansicht des BFH gilt dies auch dann, wenn das zu Grunde liegende Ereignis oder der Rechtsgrund für die Ausgaben in einem früheren VZ eingetreten ist oder die Mittel früher angesammelt worden sind (BFH BStBl II 1982, 744). Da bei der Berücksichtigung der ag Belastungen auf die endgültige Belastung abzustellen ist (Belastungstheorie), sind spätere Ersatzleistungen bei der Belastung in vorhergehenden VZ zu berücksichtigen (hM, BFH BStBl II 1999, 766; 1982, 744; 1975, 14; BFH/NV 2009, 568; 2017, 569 mit Anmerkung Levedag in HFR 2017, 489; Loschelder in Schmidt, § 33 EStG Rz 17, 40. Aufl; Brockmeyer, DStZ 1998, 216; Mellinghoff in Kirchhof/Seer, § 33 EStG Rz 14, 20. Aufl; K. Heger in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 33 EStG Rz 67, März 2021; Geserich, HFR 2011, 763; aA Kanzler, FR 1999, 1194; Tipke, StuW 1975, 158). Steht die Höhe der Ersatzleistung noch nicht gesichert fest, so kann die Veranlagung unter Beachtung eines geschätzten Betrages erfolgen. Der Steuerbescheid kann dann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO oder vorläufig gemäß § 165 AO ergehen.
Wurde eine Vorteilsanrechnung nicht vorgenommen, zB weil sie bei der Steuerfestsetzung dem Grunde nach völlig ungewiss war, so ist sie später ggf nach § 175 Abs 1 Nr 2 AO in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem die damit zusammenhängende Aufwendung gemäß § 11 Abs 2 EStG in die Veranlagung eingeflossen ist (FG Köln EFG 1988, 422 mwN; glA Mellinghoff in Kirchhof/Seer, § 33 EStG Rz 14, 20. Aufl; Loschelder in Schmidt, § 33 EStG Rz 18, 40. Aufl; K. Heger in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 33 EStG Rz 28, März 2021).
Rn. 42
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Beispiel:
Dem StPfl entstehen im VZ 01 Aufwendungen für Krankheitskosten aufgrund eines Unfalles iHv 6 000 EUR. Im VZ 03 erhält er Ersatzleistungen des Unfallverursachers iHv 3 000 EUR.
Soweit die Ersatzleistung voraussehbar war, ist der Vorteil des VZ 03 schon in VZ 01 anzurechnen. Ist der Vorteil nicht voraussehbar, ist zunächst ohne Berücksichtigung der Ersatzleistung die ag Belastung im VZ 01 zu erfassen. Wird im VZ 03 oder später die Ersatzleistung bekannt, so ist der bestandskräftige Steuerbescheid 01 gemäß § 175 Abs 1 Nr 2 AO zu ändern.
Der Zeitpunkt der Entstehung der ag Belastung ist bei abnutzbaren WG unter einem anderen Aspekt von Bedeutung. Es ist der Schaden zu ersetzen, soweit durch das Ereignis das abnutzbare WG vorzeitig ersetzt werden muss (BFH BStBl II 1992, 290). Wird ein abnutzbares WG ersetzt, so stellt sich die Frage, ob nur eine AfA im Jahr des Aufwands zu berücksichtigen ist (so Kanzler, FR 1993, 696; 2002, 1139; 2010, 392; Eschenbach, DStZ 2008, 133). Der BFH geht jedoch von einem Vollabzug des Aufwands aus. Dem ist mit der Argumentation des BFH zu folgen. Er kommt zu diesem Ergebnis, weil im Gesetz keine Verweisung auf die Vorschriften zur AfA enthalten ist und auch keine Regelungslücke gegeben ist. Er hält es jedoch für denkbar, wenn in dem Abflussjahr der Vollansatz der Aufwendungen keine steuerliche Auswirkung hat, evtl dem StPfl im Wege der abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen eingeräumt werden könne (BFH BStBl II 2010, 280 und Kreft, GStB 2010, 129).
Der BFH lehnt jedoch nunmehr eine Verteilung der nicht berücksichtigten Aufwendungen auf folgende VZ ab. Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn sich Aufwendungen im VZ der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben (BFH BStBl II 2017, 979; kritisch hierzu und eine planwidrige verdeckte Regelungslücke annehmend Kanzler in H/H/R, § 33 EStG Rz 56, Dezember 2020; wohl auch Brandis, DStR 2018, 2298; Loschelder in Schmidt, § 33 EStG Rz 22, 40. Aufl, § 33 Rz 22 der auf § 163 AO zurückgreifen will).
Eine andere Frage ist, ob durch die Einflussnahme auf den Zeitpunkt der Zahlung von einer missbräuchlichen Gestaltung iSv § 42 AO auszugehen ist. So hat dies das FG Mchn gesehen, dass die Vorauszahlung der gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung, die als ag Belastung im Jahr der Zahlung geltend gemacht wurde, als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten iSv § 42 AO gewertet hat (FG Mchn EFG 2014, 1683).