Rn. 15
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Wenn der § 36a EStG in Abs 7 apodiktisch festhält, dass § 42 AO durch die vorangestellten 6 Absätze unberührt bleibt, so wird nicht richtig deutlich, was mit dieser Ansage eigentlich erreicht werden soll. Gemeint sein kann damit eigentlich nur, dass der § 36a EStG keinesfalls eine abschließende Regelung hinsichtlich der möglichen Anrechnungsbeschränkung sein soll, was verständlich ist, wenn man sich die "Kreativität der Gestaltungsingenieure" (Kussmaul/Kloster, DB 2016, 849, 850 vor Augen führt. Dass der Gesetzgeber im Rahmen dieser Vorschrift den § 42 AO für anwendbar erklärt, verdeutlicht, dass die Diskussion hier weitergehen wird. So verweisen Helios/Lenz, DB 2017, 1738 [1741] darauf, dass eine "positive Vorsteuerrendite" ein Indiz dafür sei, dass das getätigte Geschäft einen wirtschaftlichen Grund habe und deshalb ein Missbrauch nicht anzunehmen sei. Die Bezugnahme der Autoren auf eine Entscheidung des BFH v 28.06.2006, BFH/NV 2006, 2207 stützt deren Auffassung aber wohl nicht, denn das dort behandelte Gestaltungsmodell zielte auf die Mobilisierung von KSt-Anrechnungsguthaben vor dem Übergang zum Halbeinkünfteverfahren. Im Übrigen wird eine isolierte Betrachtung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 36a EStG, die jedes für sich genommen vielleicht in Zweifel gezogen werden könnten, einer Gesamtbeurteilung des Phänomens nicht gerecht. Zu betrachten ist das Zusammenspiel der einzelnen Tatbestandsmerkmale.
Die Neuregelung ist nach der Meinung des Fachpublikums ein erster Versuch, ein erkanntes Problem in den gesetzgeberischen Griff zu bekommen. Die Diskussion zwischen dem Bund und den Ländern im Laufe des Gesetzgebungsprozesses hat schon aufgezeigt, dass erheblich nachjustiert werden musste, bis ein für alle Seiten gangbarer Weg gefunden war. Nichts desto trotz bedarf es offensichtlich umfangreicher Detailausführungen in Form eines Anwendungsschreibens des BMF, um die Vorschrift einigermaßen sicher umsetzbar zu machen. War der erste Entwurf eines solchen Anwendungsschreibens noch 7 Seiten lang, so erreichte die dritte Version mehr als die vierfache Seitenzahl.
Gleichwohl dürften alle Beteiligten davon ausgehen, dass die Finanzwirtschaft weiterhin nach Wegen der Steueroptimierung – um es freundlich auszudrücken – suchen wird. Ob damit auch die Risiken der Kunden für ein Scheitern der Modelle an Rspr oder Gesetzgebung angemessen berücksichtigt werden, wird sich nur von Fall zu Fall beurteilen lassen.
Rn. 16
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Um dieses Problems Herr zu werden und auch die Auswirkungen auf das Steueraufkommen kontrollieren zu können, hat es auf staatlicher Seite schon lange Überlegungen gegeben, steuerliche Gestaltungsmodelle einer Vorab-Kontrolle zu unterwerfen. Seit längerer Zeit beschäftigten sich die nationalen Regierungen iRd BEPS-Initiative mit der Frage, wie die FinVerw frühzeitig über modellhafte Steuergestaltungen informiert werden kann, ohne den StPfl und ihren Beratern übermäßige Befolgungslasten aufzubürden; vgl http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/beps-15-aktionspunkte.html#doc21002bodyText12. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK), KammerReport 03/2017, 9, Beihefter zu DStR 09/2017, warnte vor einer Meldepflicht für Steuergestaltungsmodelle. Mit der Einführung der §§ 138d – 138h AO durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen v 21.12.2019, BGBl I, 2875 ist ein wesentlicher Teil des angesprochenen Problembereichs aufgegriffen worden (zur erstmaligen Anwendung vgl Art 97a § 33 EGAO). Es bleibt abzuwarten, wie das BZSt die hiermit verbundenen neuen Aufgaben bewältigen kann.
Rn. 17
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Wenn der Gesetzgeber schon in der Begründung zur Einführung des § 36a EStG auf fehlende Prüfungskapazitäten verweist, so wirft dies die Frage auf, wie lange dann die Prüfung aller gemeldeten Steuergestaltungsmodelle dauern soll, bis für die StPfl Klarheit herrscht. Außerdem wird es sich angesichts der Kreativität der Finanzbranche um eine Daueraufgabe handeln. Und zum guten Schluss wird dann immer noch der lange Rechtsweg gegen eine Einstufung als "missbräuchliche Gestaltung" offenstehen.