Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Schrifttum:
Drenseck, ESt-Reform und objektives Nettoprinzip, FR 2006, 1;
Greite, Häuslicher Telearbeitsplatz, NWB F 6, 4703;
Greite, Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach dem StÄndG 2007, DB 2006, Beilage 6, 24;
Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen ESt-Recht, StuW 2007, 3;
Korn/Strahl, Steuerliche Hinweise zum Jahreswechsel 2010/11, KÖSDI 2010, 17 193;
Hörster, Änderungen des EStG, NWB 2010, 4164;
Nacke, JStG 2010: Einkommensteuerliche Änderungen. Wesentliche Änderungen im Überblick, StBW 2011, 23.
Verwaltungsanweisungen:
BMF vom 03.04.2007, BStBl I 2007, 442 (Häusliches Arbeitszimmer: Neuregelung durch das StÄndG 2007);
BMF vom 15.12.2010, BStBl I 2010, 1497 (Aufwendungen für häusliches Arbeitszimmer, Abziehbarkeit, BVerfG-Rspr, verfahrensrechtliche Folgerungen);
BMF vom 02.03.2011, BStBl I 2011, 195 (Häusliches Arbeitszimmer, Neuregelung durch das JStG 2010);
BMF vom 06.10.2017, BStBl I 2017, 1320 (Einkommensteuerliche Behandlung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b, § 9 Abs 5 und § 10 Abs 1 Nr 7 EStG).
a) Rechtsentwicklung
Rn. 1751
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Ab dem 01.01.2007 waren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch dann abziehbar, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen/betrieblichen Tätigkeit des StPfl darstellte (§ 4 Abs 5 Nr 6b S 2 EStG aF). Die Vorschrift wurde durch das StÄndG 2007 (BGBl I 2006, 1652) mit Wirkung ab dem VZ 2007 geändert (§ 52 Abs 1 EStG; BT-Drucks 16/1545, 12).
Rn. 1752
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Das BVerfG hat jedoch mit Beschluss vom 06.07.2010 (BVerfG BFH/NV 2010, 1767) diese Neuregelung ab 2007 für verfassungswidrig erklärt. Die vorgelegte Norm stelle eine benachteiligende Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar und es bedürfe deshalb eines besonderen sachlichen Grundes, um den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu genügen. Diese sachlichen Gründe würden aber nicht vorliegen. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Entscheidung mit einer Neuregelung des § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG nF durch das JStG 2010 vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768).
Rn. 1753
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Diese Neuregelung findet auf alle offenen Verfahren rückwirkend ab dem VZ 2007 Anwendung (§ 52 Abs 12 S 9 EStG). Ist der Steuerbescheid bestands- bzw rechtskräftig, kommt eine Änderung nicht in Betracht. Das BMF hat auf die Neuregelung reagiert und ein Schreiben zu den verfahrensrechtlichen Folgen veröffentlicht, worin insbesondere die Folgen bei vorläufig ergangenen ESt- und Feststellungsbescheiden für Veranlagungen und Feststellungszeiträume ab 2007 eingegangen wird (BMF vom 15.12.2010, BStBl I 2010, 1497). Angefochtene ESt- und Feststellungsbescheide sollen in Bearbeitung genommen werden.
b) Regelungsinhalt und Folgen
Rn. 1754
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Die bisherige Regelung § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG sah seit dem In-Kraft-Treten des StÄndG im VZ 2007 einen Abzug von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch dann vor, wenn dieses Zimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete. Diese Regelung war verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat jetzt für den Fall, dass für die betriebliche bzw berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, einen Abzug der Kosten für das Arbeitszimmer bis zu 1 250 EUR pro Jahr zugelassen.
Der Höchstbetrag von 1 250 EUR gilt uneingeschränkt, so dass er auch im Fall erhöhter Abschreibungen nach § 7i EStG zur Anwendung kommt (BFH BFH/NV 2016, 197). Hinsichtlich der Voraussetzung, dass für die betriebliche bzw berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kann auf die Rspr und Rechtslage zu diesem Tatbestandsmerkmal, wie es bis zum VZ 2006 galt, zurückgegriffen werden.
Rn. 1755
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Weiterhin ist ein unbeschränkter Abzug zulässig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 2 und 3 EStG nF). Diese Regelung gilt über den BA-Abzug hinaus auch für die WK (s § 9 Abs 5 EStG). Auch hier kann insoweit auf die bisherige Rspr zu diesem Tatbestandsmerkmal zurückgegriffen werden (BFH vom 16.07.2014, X R 49/11, BFH/NV 2015, 177).
Rn. 1756
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Im Ergebnis dürfte die Entscheidung des BVerfG und die Neuregelung bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit eine besondere Rolle spielen. So dürfte zB für Lehrer die neue Rechtslage von Bedeutung sein, da diese keinen anderen Arbeitsplatz in der Schule haben und somit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zur Höhe von 1 250 EUR abziehen können.
Ein anderes Problem stellt sich durch die Rückwirkung des JStG 2010, als nach dem Wortlaut der Neuregelung ein Abzug der Aufwendungen nur dann in Betracht kommt, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Diese Einschränkung gab es vorher nicht. Deshalb ist nach Auffassung des BFH die in § 52 Abs 12 S 9 EStG aF angeordnete Rückwirkung aus verfassungsrechtlichen Gründen teleologisch zu reduzieren, um eine rückwirkende Versch...