Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Schrifttum:
Veit, Das Aktivierungswahlrecht für ein Disagio, BB 1989, 524;
Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, Kommentierung zu § 250 HGB;
Hüttemann, Posten der aktiven und passiven Rechnungsabgrenzung, Handbuch des JA, Abt II/8;
Meyer-Scharenberg, Zweifelsfragen bei der Bilanzierung transitorischer RAP, DStR 1991, 754;
Herzig/Söffing, RAP und die Lehre vom Mindestzeitraum, BB 1993, 465;
Schreiber in Blümich, § 5 EStG Rz 656ff;
Gschwendtner, DStZ 1995, 417;
Tiedchen, BB 1997, 2471;
Ritzrow, StBp 1998, 39.
Verwaltungsanweisungen:
R 5.6 EStR 2005.
a) Wesensgehalt der RAP
Rn. 799
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Die RAP sind in § 5 Abs 5 EStG identisch definiert mit § 250 Abs 1 u 2 HGB. Das Handelsrecht passt sich hier spürbar den einkommensteuerlichen Vorgaben im Interesse einer steuerneutralen Umsetzung der 4. EG-Richtlinie an das nationale Recht an. Historisch sind die RAP ein Relikt aus der dynamischen Bilanztheorie Eugen Schmalenbachs. Derzufolge können alle Bilanzposten als solche der Rechnungsabgrenzung (Periodenabgrenzung) definiert werden: zB aktive Vermögensgegenstände: Ausgabe, noch nicht Aufwand. Die gesetzlichen Definitionen (s o) sind demgegenüber wesentlich enger, dienen aber immer noch Schmalenbachs Anliegen der periodengerechten Erfolgsermittlung (§ 252 Abs 1 Nr 5 HGB).
Systematisch unterscheidet man traditionell transitorische RAP und antizipative. Bei der ersten Gruppe liegt zeitlich ein Zahlungsvorgang vor der späteren erfolgswirksamen Verrechnung; bei der Letzteren folgt der Zahlungsvorgang der erfolgswirksamen Verrechnung nach. In weiterer Untergliederung kann man hinsichtlich des Zeitablaufes unterscheiden zwischen zeitlich bestimmt und zeitlich unbestimmt. Zur Systematik im Einzelnen vgl Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, Bd II, § 250 HGB, 6. Für die antizipativen Posten kommt gliederungsmäßig nur eine Bilanzierung als Vermögensgegenstand (Forderung) oder Verbindlichkeit in Betracht.
Der Gesetzgeber hat sich aus dieser Systematik lediglich die transitorischen Posten mit einer bestimmten Laufzeit herausgegriffen (abgesehen von den beiden Sondertatbeständen "Zölle und Verbrauchssteuern" sowie "Umsatzsteuer auf Anzahlungen"); s Rn 831–836.
Die Bilanzierung von RAP fordert kumulative Erfüllung folgender drei Sachverhaltsmerkmale:
- |
Ausgaben bzw Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, |
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Erfolgswirksamkeit nach dem Abschlussstichtag, |
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Bestimmbarkeit des Zeitvolumens für den Aufwand (Ertrag) aus der im Vorhinein geleisteten Zahlung. |
b) Funktion der aktiven RAP
Rn. 800
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Durch Ansatz eines aktiven RAP sollen Ausgaben in dem Geschäftsjahr Aufwand, dh gewinnmindernde BA iSd § 4 Abs 4 EStG werden, dem sie von der wirtschaftlichen Veranlassung her zuzuordnen sind. Buchungstechnisch stellt erst die sog Auflösung des RAP Aufwand dar.
c) Abgrenzung von anderen Aktivposten
ca) RAP u WG (Vermögensgegenstand)
Rn. 801
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Die aktiven RAP dienen dazu, Aufwendungen iSd periodengerechten Gewinnermittlung (s Rn 828) zu aktivieren, um sie dann in einem späteren Gewinnermittlungszeitraum erfolgswirksam werden zu lassen. Deshalb kann es sich gerade nicht um WG (Vermögensgegenstände) im bilanzrechtlichen Sinne handeln. Liegen die Letztgenannten vor, schließt deren Bilanzierung die Bildung eines aktiven Abgrenzungspostens aus.
Rn. 802
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Abgrenzungsprobleme kann es dabei insb im Falle des entgeltlichen Erwerbs von immateriellen WG des AV geben. Eine Aktivierung als RAP kommt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn das Erfordernis der zeitlichen Bestimmtheit erfüllt ist. Fehlt es an diesem, richtet sich die Aktivierbarkeit danach, ob ein WG (Vermögensgegenstand) nach allg Gesichtspunkten vorliegt. Liegen umgekehrt die bilanzrechtlichen Voraussetzungen für den entgeltlichen Erwerb eines WG und für die Bildung eines aktiven Abgrenzungspostens kumulativ vor, ist es – abgesehen vom Problem der Teilwertabschreibung, s Rn 826 – eher von akademischem Interesse, welchem der Aktivposten man den Vorzug gibt (Bsp: Einmalzahlung für eine Patentlizenz gültig für die Laufzeit des Patentschutzes). Denn ertragsteuerlich geht es letztlich nur um die Periodisierung der Aufwandsverrechnung; diese ist im vorliegenden Bsp exakt vorgegeben. Ob der entsprechende Aufwand in der handelsrechtlichen GuV-Rechnung als "sonstiger betrieblicher Aufwand" oder als "Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände des AV" erscheint, ist für steuerliche Zwecke – die steuerliche Gewinnermittlung kennt in systematischer Betrachtung keine GuV-Rechnung – unerheblich. Die fachliterarische Diskussion hierzu ist deshalb im Hinblick auf den Praxisbezug auf die Frage zu reduzieren, ob bei Nichtvorliegen eines RAP wegen mangelnden Zeitbezuges eine Aktivierung als immaterielles WG (Vermögensgegenstand) oder eben eine sofortige Aufwandsverrechnung in Betracht kommt. Zu den unterschiedlichen Standpunkten (s Blümich, § 5 EStG Rz 695); H/H/R, § 5 EStG Rz 1914; K/S/M, § 5 EStG Rz F58).
Leichter fällt die Abgrenzung in der Praxis bei materiellen WG (Vermögensgegenständen), die angeschafft oder hergestellt werden. Sofern der Anschaffungs- ...