Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 326d
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Rückstellungen sind gem § 6 Abs 1 Nr 3a EStG "höchstens" insb unter Berücksichtigung der in Buchst a–f) der Norm aufgestellten Grundsätze anzusetzen. Die Höhe steuerlicher, nach den Vorgaben des § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst a–f EStG modifizierter Rückstellungswerte unterschreitet typischerweise die Höhe handelsrechtlich auszuweisender Rückstellungen. Insb bei Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen kann sich dieses Wertverhältnis allerdings umkehren (infolge eines handelsrechtlich längeren, über den nach § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst e S 2 EStG steuerlich relevanten Beginn der Erfüllung hinausgehenden Abzinsungszeitraum). Die FinVerw leitet aus dem Wortlaut der Norm ab, dass – mit Ausnahme von Pensionsrückstellungen – der konkrete handelsrechtliche Rückstellungswert durch steuerliche Bewertungsvorgaben nicht überschritten werden dürfe (Wertobergrenze, sog Höchstwertvergleich; R 6.11 Abs 3 S 1 EStR 2012; OFD Münster v 13.07.2012, DStR 2012, 1606; OFD Koblenz v 28.08.2012, DB 2012, 2841; zustimmend Meurer, BB 2012, 2807f; Maus, NWB 2012, 3541; Hörhammer/Rosenbaum, StuB 2013, 252f.; Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 471 mwN, 37. Aufl 2018; offen gelassen durch BFH v 13.07.2017, IV R 34/14, BFH/NV 2017, 1426 Rz 29). Das FG RP v 07.12.2016, 1 K 192/14, EFG 2017, 693 hat die Verwaltungsauffassung unter Verweis auf die BFH-Rspr zur (abweichenden) Rechtslage vor BilMoG (BFH v 11.10.2012, I R 66/11, BStBl II 2013, 676) bestätigt, das Verfahren ist beim BFH anhängig, Az XI R 46/17.
Die steuerliche Rückstellungsbewertung gem § 6 Abs 1 Nr 3a EStG ist von der handelsrechtlichen Rückstellungsbewertung maßgeblichkeitsbrechend entkoppelt. Die Formulierung "höchstens" bewirkt für die Rechtslage nach BilMoG keine profiskalische formelle (Rückausnahme-)Maßgeblichkeit in der Ausprägung der Bindung an einen handelsrechtlich zulässigen Höchstwert (mehr). Die (materielle) Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB stellt den Grundsatz dar, die abweichende Rückstellungsbewertung als steuerliche Vorbehaltsvorschrift die maßgeblichkeitsbrechende Ausnahme, die Formulierung "höchstens" keine wiederum steuervorbehaltsbrechende Rückausnahme zur Maßgeblichkeit. Die verwaltungsseitig vertretene Auffassung lässt die Fortentwicklung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (Wegfall formeller Maßgeblichkeit iS der Bindung an konkrete handelsbilanzielle Werte) unberücksichtigt (Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 16. Auf 2018, Rz 364). Die Eingangsformulierung des § 6 Abs1 Nr 3a EStG bestimmt allein die steuerlich determinierte Obergrenze (stellvertretend Briesemeister/Joisten/Vossel, FR 2013, 164; Prinz/Fellinger, Ubg 2013, 366; Ortmann-Babel/Bolik/Schönefeldt, NWB 2013, 1383f; Schlotter in MüKo Bilanzrecht, 2013, § 253 Anh Rz 117; Rätke, BBK 2014, 23f.; Marx, StuB 2017, 449; Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz 26, 37. Aufl 2018).
Gesetzgeberseitig wurde iRd BilMoG konkret für die Änderungen der handelsrechtlichen Rückstellungsbewertungsvorschriften nicht nur Steuerneutralität postuliert, sondern steuerliche Folgewirkungen handelsrechtlicher Bewertungsmodifikationen (Berücksichtigung von Preis- u Kostensteigerungen, verpflichtende Abzinsung von Rückstellungen mit (Rest-)Laufzeit von mehr als einem Jahr) explizit verneint (BT-Drucks 16/10067, 52, 56). Hierüber können sich auch FinVerw und Rspr nicht über den "Umweg" einer aus dem Handelsrecht importierten Bewertungsobergrenze hinwegsetzen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass einem etwaigen Höchstwertvergleich der jedenfalls um Preis- und Kostensteigerungen zu bereinigende (undiskontierte) Erfüllungsbetrag iSd § 253 Abs 1 S 2 HGB zugrunde zu legen ist (Briesemeister/Joisten/Vossel, FR 2013, 165f; Ortmann-Babel/Bolik/Schönefeldt, NWB 2013, 1383: unpassender Vergleichsmaßstab bei der Deckelung steuerlicher Rückstellungen).
Der für die profiskalische Auslegung bemühten Formulierung "höchstens" kann bereits nicht die Qualität eines gesetzessystematisch eindeutigen Rückverweises einer maßgeblichkeitsbrechenden Norm auf die handelsrechtlichen GoB beigemessen werden, schon gar nicht die Qualität eines von weiteren gesetzgeberischen Entscheidungen entkoppelten dynamischen Verweises (so aber Hörhammer/Rosenbaum, StuB 2013, 253).
Für die wortidentische Vorschrift § 6a Abs 3 S 1 EStG ("eine Pensionsrückstellung darf höchstens […]") hat die FinVerw die Auffassung, der zulässige Ansatz in der HB sei zugleich steuerliche Bewertungsobergrenze, nach BilMoG folgerichtig ausdrücklich fallen gelassen (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 10). Außerhalb von Pensionsrückstellungen ist gleichwohl vorsorglich eine im Rahmen gegebener Ermessensspielräume höchstmögliche handelsrechtliche Bewertung anzuraten.