Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 1754
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Die bisherige Regelung § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG sah seit dem In-Kraft-Treten des StÄndG im VZ 2007 einen Abzug von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch dann vor, wenn dieses Zimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete. Diese Regelung war verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat jetzt für den Fall, dass für die betriebliche bzw berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, einen Abzug der Kosten für das Arbeitszimmer bis zu 1 250 EUR pro Jahr zugelassen.
Der Höchstbetrag von 1 250 EUR gilt uneingeschränkt, so dass er auch im Fall erhöhter Abschreibungen nach § 7i EStG zur Anwendung kommt (BFH BFH/NV 2016, 197). Hinsichtlich der Voraussetzung, dass für die betriebliche bzw berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kann auf die Rspr und Rechtslage zu diesem Tatbestandsmerkmal, wie es bis zum VZ 2006 galt, zurückgegriffen werden.
Rn. 1755
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Weiterhin ist ein unbeschränkter Abzug zulässig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 2 und 3 EStG nF). Diese Regelung gilt über den BA-Abzug hinaus auch für die WK (s § 9 Abs 5 EStG). Auch hier kann insoweit auf die bisherige Rspr zu diesem Tatbestandsmerkmal zurückgegriffen werden (BFH vom 16.07.2014, X R 49/11, BFH/NV 2015, 177).
Rn. 1756
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Im Ergebnis dürfte die Entscheidung des BVerfG und die Neuregelung bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit eine besondere Rolle spielen. So dürfte zB für Lehrer die neue Rechtslage von Bedeutung sein, da diese keinen anderen Arbeitsplatz in der Schule haben und somit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zur Höhe von 1 250 EUR abziehen können.
Ein anderes Problem stellt sich durch die Rückwirkung des JStG 2010, als nach dem Wortlaut der Neuregelung ein Abzug der Aufwendungen nur dann in Betracht kommt, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Diese Einschränkung gab es vorher nicht. Deshalb ist nach Auffassung des BFH die in § 52 Abs 12 S 9 EStG aF angeordnete Rückwirkung aus verfassungsrechtlichen Gründen teleologisch zu reduzieren, um eine rückwirkende Verschärfung der Rechtslage durch das JStG 2010 gegenüber der Regelung nach dem StÄndG 2007 zu vermeiden. Bildete das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, so bleibt – gegen den Wortlaut der Fassung des JStG 2010, aber wie nach der Fassung des StÄndG 2007 – jedenfalls für die Zeit bis zum Inkrafttreten des JStG 2010 und damit für den Zeitraum der Rückwirkung der Abzug in voller Höhe auch dann möglich, wenn für die Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Wie diese Frage für die VZ seit 2010 zu beurteilen ist, lässt der BFH aber offen (BFH vom 16.07.2014, X R 49/11, BFH/NV 2015, 177). Nach Paul in H/H/R, § 4 EStG Rz 1555 (Oktober 2022) setzt § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 3 EStG nF voraus, dass ein alternativer Arbeitsplatz fehlt. Dem ist uE nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zuzustimmen. Das BVerfG hat die Verletzung von Art 3 Abs 1 GG durch die bisherige Regelung gerade deshalb angenommen, weil für ein Arbeitszimmer auch dann der BA-/WK-Abzug verwehrt worden war, weil für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (BVerfG BStBl II 2011, 318).