Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 624
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Der Einzelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs 1 Nr 3 HGB iVm § 5 Abs 1 S 1 EStG, § 6 Abs 1 S 1 EStG) verlangt den Ansatz und Bewertung einzelnen WG, s Rn 397. Erforderlich ist daher die Abgrenzung zwischen selbstständigen WG und – nicht eigenständig aktivierungsfähigen – unselbstständigen Bestandteilen bzw bloßen Eigenschaften übergeordneter WG einschließlich der Feststellung, ob bei Verbindung mehrerer zunächst selbstständiger WG die Selbstständigkeit bilanziell erhalten bleibt oder ein einheitliches WG mit nunmehr unselbstständigen Komponenten entsteht.
Relevanz hat dies nicht nur für die Bestimmung der Anzahl selbstständiger Bilanzierungseinheiten, sondern in der Folge insb auch für die Abschreibung(sgeschwindigkeit). Hier gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Abschreibung des WG als Bilanzierungseinheit (dies gilt nicht im Hinblick auf Ergänzungsbilanzen zur StB wegen der dort erforderlichen eigenständigen AfA-Ermittlung (auch s § 15, Rn 64 ff (Bitz)). Eine Abschreibung unselbstständiger Komponenten von WG, wie sie im Handelsrecht zT befürwortet wird (vgl IDW RH HFA 1.016) ist steuerlich unzulässig (BFH v 14.04.2011, IV R 46/09, BStBl II 2011, 696; Herzig/Briesemeister/Joisten/Vossel, WPg 2010, 571 f; Husemann, WPg 2010, 514; Keller/Gütlbauer, StuB 2011, 13).
Rn. 625
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Für die gebotene Einzelbewertung sind zivilrechtliche Wertungen nicht entscheidend. So können wesentliche Bestandteile einer Sache iSd §§ 93, 94 BGB steuerrechtlich selbstständige WG sein. Bestandteile von WG sind selbst keine WG, wenn sie nicht bilanziell greifbar und selbstständig bewertbar sind (vgl Moxter, BB 1987, 1846).
Wenngleich das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens ist (§ 94 BGB), liegen bilanzrechtlich (mindestens) zwei bilanziell greifbare, selbstständig bewertbare WG vor (s Rn 160). Gebäudeteile sind selbstständig, wenn diese in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen, dh verschieden genutzt werden oder einem besonderen Zweck dienen (BFH v 26.11.1973, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132; BFH v 24.04.2008, IV R 30/05, BFH/NV 2008, 1246 R 4.2 Abs 3 S 1, 2 EStR 2012). IdS unselbstständige Gebäudeteile, die in einen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen, teilen bilanziell das Schicksaal des Gebäudes (zu Bsp s Rn 161a). IdS bilanziell selbstständige Gebäudeteile sind einer selbstständigen Nutzung (eigen-/fremdbetrieblich, eigene/fremde Wohnzwecke) unterliegende sonstige Gebäudeteile (s Rn 165).
Für bewegliche WG (zur Abgrenzung s Rn 189) gilt demgegenüber der Unteilbarkeitsgrundsatz (s Rn 149, 153). Bilanziell treten nicht Nutzungsanteile in Erscheinung, sondern "die Sache selbst" als WG (BFH v 08.03.1990, IV R 60/89, BStBl II 1994, 55). Eine Spaltung beweglicher WG in mehrere selbstständige bewegliche WG kommt nur in Betracht, wenn das Ausgangs-WG entsprechend unterschiedlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhänge gegenständlich unter Erhaltung der Funktionalität geteilt wird, was bei beweglichen WG (Bsp E-Bike/Pkw) – im Unterschied zu unbeweglichen WG – idR nicht der Fall ist.
Rn. 626
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bei Einfügung ursprünglich beweglicher WG in ein Gebäude ist maßgebend, ob der eingefügte Teil nach der allg Verkehrsanschauung in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zu dem Gebäude als solchem steht (BFH v 26.11.1873, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132; BFH v 09.11.1976, VIII R 27/75, BStBl II 1977, 306), dh eine zweckentsprechende Nutzung üblicherweise ermöglicht/fördert oder in einem von der Gebäudenutzung verschiedenen Nutzen- und Funktionszusammenhang steht, dh einem besonderen Zweck dient. IdS bilanziell selbstständige Gebäudeteile sind
- Betriebsvorrichtungen (s Rn 162),
- Scheinbestandteile (s Rn 163),
- Ladenein-/-umbauten (s Rn 163a) und
- sonstige Mieterein-/-umbauten (die nicht bereits Betriebsvorrichtungen oder Scheinbestandteile sind, s Rn 164).
Das zivilrechtlich einheitliche unbewegliche Grundstück wird im Ergebnis bilanzrechtlich in eine Vielzahl von WG zerlegt (s Rn 159). Der WG-Begriff – als die aus Erwerbersicht greifbare, bei der Gesamtkaufpreisbemessung ins Gewicht fallende, selbstständig bewertbare Einzelheit – wird durch die bilanzielle Atomisierung von Gebäuden bis an seine äußerste Grenze strapaziert.
Bei Verbindung mehrerer beweglicher WG hat der Nutzungs- und Funktionszusammenhang lediglich Indizwirkung (BFH v 28.09.1990, III R 77/89, BStBl II 1991, 361; BFH v 09.08.2001, III R 43/98, BStBl II 2002, 100; BFH v 15.07.2004, III R 6/03, BStBl II 2004, 1081). Ob verbundene, in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehende, bewegliche Güter nach der Verkehrsanschauung ihre bilanzielle Selbstständigkeit behalten, wird mitbestimmt durch
- die technische Verbindung/Verzahnung,
- den Grad der Festigkeit der Verbindung,
- den Zeitraum, auf den die Verbindung oder eine gemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt ist,
- das äußere Erscheinungsbild.
Selbstständigkeit verbundener...