Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 182g
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Ist das Gebäude nach Ablauf der voraussichtlichen Nutzungsdauer wirtschaftlich nicht verbraucht, ist der Nutzungsberechtigte auch dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts des Gebäudes gegen den Grundstückseigentümer hat (zB BFH v 18.07.2001, X R 15/01, BStBl II 2002, 278; BFH v 18.07.2001, X R 27/00, BFH/NV 2002, 168; BFH v 18.07.2001, X R 16/99, BFH/NV 2002, 322; BFH v 27.06.2006, IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225). Ein Ausgleichsanspruch kann vertraglich oder gesetzlich, insbesondere durch §§ 951, 818 BGB begründet sein.
Grundlage und Entstehungszeitpunkt des Ausgleichsanspruchs nach §§ 951, 812 BGB: Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück durch einen anderen als den Grundstückseigentümer im eigenen Interesse und ohne Zuwendungsabsicht dergestalt verbunden, dass sie wesentlicher Bestandteil einer Sache wird und erleidet derjenige dadurch einen Rechtsverlust, wird grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch nach §§ 951, 812 BGB begründet (H 4.7 EStH 2021 "Eigenaufwand auf ein fremdes WG"). Der Anspruch entsteht (erst) im Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses (zB Gschwendtner in FS Beisse, 220 mwN (1997)). § 951 BGB ist abdingbar.
Höhe des Ausgleichsanspruchs nach §§ 951, 812 BGB: Der Ausgleichsanspruch erstreckt sich nach Rspr des BGH auf den Verkehrswert im Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses (BGH v 10.07.1953, V ZR 22/52, NJW 1953, 1466; BGH v 13.05.1955, V ZR 36/54, NJW 1955, 1106; BGH v 19.09.1962, V ZR 138/61, NJW 1962, 2293; BGH v 16.12.2008, VIII ZR 306/06, WuM 2009, 113; BGH v 29.04.2009, XII ZR 66/07, NJW 2009, 2374; BGH v 22.03.2013, V ZR 28/12, NJW 2013, 2015; BGH v 19.07.2013, V ZR 93/12, NJW 2013, 3364; aA Schwab in MüKomm BGB, § 818 Rz 113 mwN (8. Aufl 2020)). Bei einer aufgedrängten Bereicherung, dh Gebäudeherstellung ohne Einverständnis des Grundstückseigentümers, richtet sich der Ausgleichsanspruch lediglich auf den Ersatz der Aufwendungen. Bei fehlender vertraglicher Vereinbarung eines Wertersatzes ist die Durchsetzung eines Ausgleichsanspruchs ggf durch die potenzielle Einrede aufgedrängter Bereicherung gefährdet.
Fallkonstellationen: Fälle, in denen jemand auf dem Grundstück eines anderen baut und dadurch dessen Eigentum mehrt, ohne dass explizit Wertausgleichsansprüche vereinbart werden, treten vornehmlich innerhalb der Familie – insbesondere im Verhältnis von Ehegatten sowie von Eltern und Kindern – sowie in nichtehelichen Lebensgemeinschaften auf. Konstellationen dieser Art werfen die Frage nach einem Ausgleichsanspruch nach §§ 951, 812 BGB auf.
Baut dagegen jemand auf dem Grundstück eines fremden Dritten, werden regelmäßig Vereinbarungen getroffen, die die Nutzung des errichteten Gebäudes und den Wertersatz absichern, so dass der Erbauer hier wirtschaftlicher Eigentümer der Baumaßnahme wird, wenn Ersatzansprüche zum Verkehrswert bei Beendigung der Nutzung vereinbart werden (vgl Korn in Korn/Strahl, § 6 EStG Rz 247.2 (Februar 2017)).
Rn. 182h
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Stellenwert des Ausgleichsanspruchs nach §§ 951, 812 BGB für die Zurechnung: Ist beim Bauenden neben dem Nutzungsrecht ein durchsetzbarer Ausgleichsanspruch nach §§ 951, 812 BGB zu bejahen, ist auch wirtschaftliches Eigentum zu bejahen (vgl Groh, BB 1996, 1489; Neufang/Körner, BB 2010, 1504; Horst, DB 2017, 1352; Schnitter in Frotscher/Geurts, § 7 EStG Rz 154 (Januar 2021); Richter/Anzinger/Tiedchen in H/H/R, § 5 EStG Rz 519 mwN (Dezember 2021)). Bei Bestehen eines Ausgleichsanspruchs nach §§ 951, 812 BGB stehen dem Errichtenden Substanz und Ertrag des Gebäudes vollständig zu, zunächst durch die Nutzung, nach deren Beendigung durch den Ausgleichsanspruch in Höhe des Zeitwerts des Gebäudes. Die entscheidende Frage ist, wann ein Ausgleichsanspruch nach §§ 951, 812 BGB konkret besteht. Die Rspr der verschiedenen Senate des BFH war bzgl des Stellenwerts des Anspruchs in der Vergangenheit nicht einheitlich, folgt inzwischen aber (mit Ausnahme des III. Senats) einer einheitlichen, gleichwohl nach Fallgruppen differenzierenden Linie:
Fallkonstellation |
Wertersatzanspruch |
Gebäude-Zurechnung |
Eltern-Kind-Verhältnis |
BFH v 11.06.1997, XI R 77/96, BStBl II 1997, 774 |
[+] nach §§ 951, 812 BGB in Höhe Zeitwert bei Beendigung der Nutzung |
Erbauer (Kind) |
BFH v 18.07.2001, X R 23/99, BStBl II 2002, 281 (zu § 10e EStG) |
[+] nach §§ 951, 812 BGB in Höhe Zeitwert bei Beendigung der Nutzung (anders noch BFH v 21.05.1992, X R 61/91, BStBl II 1 992 944 sowie BFH v 20.09.1995, X R 94/92, BStBl II 1996, 186, da Annahme lediglich eines Aufwendungsersatzanspruchs) |
Erbauer (Kind) |
nichteheliche Lebensgemeinschaft |
BFH v 18.07.2001, X R 15/01, BStBl II 2002, 278 (zu § 10e EStG) |
[+] nach § 731ff BGB in entsprechender Anwendung gesellschaftsrechtlicher Grundsätze in Höhe Zeitwert bei Beendigung der Nutzung |
Erbauer |
Ehegatten in Zugewinngemeinschaft |
BFH v 11.12.1987, III R 188/91, BStBl II 1988, 493 |
[+] nach §§ 951, 812 BGB in Höhe Zeitwert bei Beendigung ... |