Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 182w
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Rechtsentwicklung der Behandlung eines Restwerts bei Beendigung der Nutzung:
- In der 1. Rspr-Phase (Behandlung des Nutzungsrecht als immaterielles WG, s Rn 182q) ging die Rspr (überwiegend) davon aus, dass stille Reserven beim Nutzungsberechtigten entstehen konnten und es mit Beendigung der betrieblichen Gebäudenutzung beim Nutzenden zu einer Realisation und Besteuerung stiller Reserven des Gebäudes kam (Differenz aus der Ausbuchung des immateriellen WG und gewinnerhöhender Aktivierung eines angenommenen Ausgleichsanspruchs nach §§ 951, 812 BGB zum Verkehrswert des Gebäudes, erstmals obiter dictum in BFH v 31.10.1978, VIII R 146/75, BStBl II 1979, 507). Zum Teil wurde sogar wirtschaftliches Eigentum des Erbauers am Gebäude gestützt auf die Annahme eines Ausgleichsanspruchs nach §§ 951, 812 BGB zum Verkehrswert des Gebäudes angenommen (BFH v 11.12.1987, III R 188/91, BStBl II 1988, 493 zu Ehegattenfall).
- In der 2. Rspr-Phase (Behandlung des Nutzungsrechts wie ein materielles WG Gebäude, s Rn 182q) hat die Rspr zunehmend den bejahten Wertersatzanspruch nach §§ 951, 812 BGB zum Zeitwert als Grundlage für die Gebäudezurechnung zum Erbauers angesehen, dh bereits wirtschaftliches Eigentum beim Nutzungsberechtigten verortet (zutreffend für Eltern-Kind-Fälle BFH v 11.06.1997, XI R 77/96, BStBl II 1997, 774 unter II.3.; BFH v 18.07.2001, X R 23/99, BStBl II 2002, 281 unter II.2.c.; ebenfalls zutreffend für nichteheliche Lebensgemeinschaft BFH v 18.07.2001, X R 15/01, BStBl II 2002, 278; unzutreffend dagegen für Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft BFH v 14.05.2002, VIII R 30/98, BStBl II 2002, 741, s Rn 182h) und stille Reserven damit als steuerverhaftet betrachtet. Auch insoweit ein Wertersatzanspruch nach §§ 951, 812 BGB nicht schon als Zurechnungsgrundlage bemüht wurde, wurde eine beim Bauenden erfolgende Realisation und Besteuerung stiller Reserven bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses hierauf gestützt (BFH v 10.03.1999, XI R 22/98, BStBl II 1999, 523 sowie obiter dictum in BFH v 22.04.1998 X R 101/95, BFH/NV 1998, 1481 unter B.II.1.b., e.). Die Annahme einer Gewinnrealisation entsprach der Position der FinVerw (BMF v 05.11.1996, BStBl I 1996, 1257).
- In der aktuellen 3. Rspr-Phase (Aufwandsverteilungsposten, s Rn 182q) wird (außerhalb der – bei Ehegatten in Zugewinngemeinschaft nicht mehr auf §§ 951, 812 BGB gestützten – Zurechnung des Gebäudes zum Bauenden) der Ansatz eines WG jeglicher Art beim bauenden Nichteigentümer verneint. Damit wird zugleich keine Grundlage für eine Verstrickung stiller Reserven beim bauenden Nichteigentümer mehr gesehen (BFH v 29.04.2008, VIII R 98/04, BStBl II 2008, 749; BFH v 19.12.2012, IV R 29/09, BStBl II 2013, 387; BFH v 09.03.2016, X R 46/14, BStBl II 2016, 976; ebenso BMF v 16.12.2016, BStBl I 2016, 1431).
Rn. 182x
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Durch Nutzung eines fremden WG – ohne dass durch hinzutretende besondere Vereinbarungen wirtschaftliches Eigentum des Nutzenden begründet wird – können dem Nutzenden die stillen Reserven des genutzten WG nicht zugeordnet werden. Der nach Wertung der Rspr zu bildende Aufwandsverteilungsposten kann (ebenso wie der nach hier vertretener Auffassung in Höhe anteiliger HK zu bildende aktive RAP, s Rn 182u) nicht Sitz stiller Reserven sein. Ein Posten, dessen Funktion darauf beschränkt ist, in betrieblichem Interesse getätigten Aufwand zu verteilen, ist weder geeignet, stille Reserven aus begünstigenden steuerlichen Vorschriften zu speichern, noch solche, die auf Wertsteigerungen beruhen. Stille Reserven entstehen danach ausschließlich beim Grundstückseigentümer als Zurechnungssubjekt. Bei Beendigung der betrieblichen Nutzung durch den Erbauer kann es bei ihm (mangels Ansammlung) entsprechend nicht zur Realisation stiller Reserven kommen; der Aufwandsverteilungsposten ist erfolgsneutral aufzulösen.
Ein bei Beendigung der Nutzung verbleibender, noch nicht aufwandswirksam gewordener Teil des beim Nichteigentümer gebildeten Aufwandverteilungspostens sei "dem Eigentümer des WG als AK/HK des WG zuzurechnen" (BFH v 19.12.2012, IV R 29/09, BStBl II 2013, 387). Insoweit liege eine "rechnerische Übertragung einer Aufwandsposition" vor; der eigentliche Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang durch den Grundstückseigentümer wird gleichwohl in der Vergangenheit im Anschaffungs-/Herstellungszeitpunkt verortet (BFH v 09.03.2016, X R 46/14, BStBl II 2016, 976 unter II.4.). AK/HK sollen dem Anschaffungs-/Herstellungsvorgang (anteilig) gleichwohl erst dann zugeordnet werden, wenn die Drittnutzung endet.
Diese Handhabung der verzögerten anteiligen AK/HK-Zuordnung führt zu Friktionen, wenn der Grundstückseigentümer das bebaute Grundstück vor Ablauf der 10-Jahres-Frist des § 23 Abs 1 Nr 1 EStG noch während der Nutzungsberechtigung des Erbauers veräußert, die Nutzungsberechtigung aber fortbesteht, dh der Erwerber die (befristete) Verpflichtung zur Duldung der Nutzung übernimmt. In diesem Fall liegt beim Grundstückseigentüm...