Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 182p
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Grundproblematik: Die steuerliche Ausgangsproblematik der zutreffenden bilanziellen Behandlung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden verdeutlicht ein (höchst seltenes) BGH-Urteil zum Bilanzrecht (BGH v 06.11.1995, II ZR 164/94, NJW 1996, 458), in dem die Frage zu klären war, wie die Aufwendungen, die eine KG zur Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück eines ihrer Kommanditisten gegen (formlos vereinbarte) Einräumung eines zehnjährigen unentgeltlichen Nutzungsrechts errichtet hatte, zu behandeln sind. Mangels dauerhaften Ausschlusses des zivilrechtlichen Eigentümers von der Einwirkung auf das Gebäude durch die vereinbarte zeitlich begrenzte Nutzungsmöglichkeit rechnete der BGH das Gebäude zutreffend dem Grundstückseigentümer und nicht dem Erbauer zu, sah also kein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum am Gebäude. Da die Absprache dem Erbauer nach den Umständen des konkreten Falls zudem keine gesicherte Rechtsposition auf befristete unentgeltliche Nutzung vermittelte, verwarf der BGH auch die Abbildung eines Nutzungsrechts (s Rn 182t) und nahm beim Erbauer mangels Aktivierbarkeit in voller Höhe sofort abziehbare betriebliche Aufwendungen an. Dies war steuerlich unter Leistungsfähigkeits- und Gestaltungsvermeidungsaspekten inakzeptabel.
Rn. 182q
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Die Lösungsansätze der Finanz-Rspr haben in mehreren Phasen einen Evolutionsprozess durchlaufen ("Rechtssprünge", Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht, Rz 4980 (4. Aufl 2021)), um das drohende "Loch in der Bilanz" (Hoffmann, StuB 2017, 2) zu schließen. Gemein ist den Lösungen in allen Phasen die Abwendung einer sofortigen Aufwandsverrechnung; erhebliche Unterschiede bestehen jeweils hinsichtlich der Qualifikation des hierzu erforderlichen Aktivpostens. Die überaus wechselvolle Rspr des BFH zur Einordnung des eine korrekte Aufwandsverteilung gewährleistenden Bilanzpostens legt die erheblichen Schwierigkeiten einer zutreffenden dogmatischen Einordnung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden deutlich offen.
Rspr-Phase 1 – Nutzungsrecht als immaterielles WG
Wurde das wirtschaftliche Eigentum am Gebäude nicht bei demjenigen verortet, der die AK/HK in betrieblichem Interesse getragen hat, forderte die Finanz-Rspr zunächst in Höhe der AK/HK die Aktivierung eines Nutzungsrechts (BFH v 10.08.1984, III R 98/83, BStBl II 1984, 805 "Das zu aktivierende WG ist eine dem bauenden Miteigentümer zustehende ‘Nutzungsmöglichkeit’", vgl auch bereits BFH v 31.10.1978, VIII R 182/75, BStBl II 1979, 399 sowie BFH v 31.10.1978, VIII R 146/75, BStBl II 1979, 507; BFH v 22.01.1980, VIII R 74/77, BStBl II 1980, 244; BFH v 20.11.1980, IV R 117/79, BStBl II 1981, 68; BFH v 11.12.1987, III R 188/81, BStBl II 1988, 493) und damit seinem Rechtscharakter nach ein immaterielles WG (vgl aber BFH v 20.05.1988, II R 151/86, BStBl II 1989, 269: aktive Rechnungsabgrenzung der Baukosten bei Wertung des Verzichts auf einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 951 BGB als Nutzungsentgelt).
Dem immateriellen Charakter des aktivierten WG Rechnung tragend war die AfA nicht nach Gebäudegrundsätzen zu bemessen, sondern gemäß § 7 Abs 1 EStG nach der (gegenüber der Nutzungsdauer des Gebäudes kürzeren) Dauer der Nutzungsbefugnis (BFH v 31.10.1978, VIII R 182/75, BStBl II 1979, 399; BFH v 31.10.1978, VIII R 146/75, BStBl II 1979, 507; BFH v 10.08.1984, III R 98/83, BStBl II 1984, 805). Das zu aktivierende WG wurde folgerichtig auch nicht als "Grundbesitz" im Sinne des § 9 Nr 1 S 1 GewStG qualifiziert (BFH v 31.10.1978, VIII R 182/75, BStBl II 1979, 399). Gleichwohl war Investitionszulage nach den für Gebäude geltenden Regelungen zu gewähren, da die Erfassung derartiger immaterieller WG vom Zweck des InvZulG gedeckt war (BFH v 10.08.1984, III R 98/83, BStBl II 1984, 805).
Die FinVerw übernahm zwar den Begriff "Nutzungsrecht", nahm erweiternd aber bereits eine weitgehende Gleichstellung derartiger Nutzungsrechte mit Gebäuden vor und gewährte sowohl Gebäude-AfA nach § 7 Abs 4, 5 EStG als auch für Gebäude geltende erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen und ließ ebenso die Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG zu (BMF v 03.05.1985, IV B 2-S 2196–7/85, BStBl I 1985, 188). Dieser Sichtweise folgte der BFH in der zweiten Rspr-Phase.
Rspr-Phase 2 – Nutzungsrecht "wie ein materielles WG"
Der GrS des BFH (BFH v 30.01.1995, GrS 4/92, BStBl II 1995, 281) entschied (nachdem der vorlegende IV. Senat die gänzliche Versagung der Aufwandsberücksichtigung im Wege der AfA erwogen hatte)
- übereinstimmend mit der vorangehenden Rspr, dass die vom StPfl getragenen AK/HK auf ein fremdes, ihm nicht zuzurechnenden Gebäude, das er für betriebliche Zwecke nutzen darf, zur Wahrung des objektiven Nettoprinzips im Wege der AfA als BA zu berücksichtigen sind,
- abweichend von der vorangehenden Rspr, dass die dem StPfl zustehende Nutzungsbefugnis "wie ein materielles WG" zu behandeln sei, was ebenfalls abweichend von der vorangehenden Rspr (AfA ...