Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 187
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 10 S 1 EStG legt zunächst die abkommensrechtlich anzuwendende Einkunftsart fest: Enthält ein DBA keine ausdrückliche Regelung für Sondervergütungen iSd § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 Hs 2 und Nr 3 Hs 2 EStG, dann gilt die Vergütung für Zwecke der Abkommensanwendung ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters (eine Klarstellung im Hinblick auf die vom BFH vom 08.09.2010, BStBl II 2014, 788 Tz 17 ausdrücklich offen gelassene Frage der Anwendung auch im Falle von Abkommen, die den Ausdruck "Gewerbliche Gewinne" verwenden, wurde nicht vorgenommen – zur verbleibenden Unsicherheit Pohl, DB 2013, 1572; Schmidt, DStR 2013, 1706). Durch die Anordnung des ausschließlichen Vorliegens von Unternehmensgewinnen wird der abkommensrechtliche Spezialitätenvorrang des Art 7 Abs 7 OECD-MA suspendiert (BFH vom 11.12.2013, I R 4/13, BStBl II 2014, 791 unter Verwerfung der Zirkelschluss-Argumentation als "Spitzfindigkeit"; zustimmend zB Kudert/Kahlenberg, IStR 2013, 802; Schmidt, DStR 2013, 1707; Mitschke, FR 2013, 695; aA Pohl, DB 2013, 1574; Dorn, BB 2013, 3039; Klein/Hagena, ISR 2013, 272).
Weitere Konsequenz der Qualifikationsfiktion ist, dass im Inbound-Fall ein Quellensteuerabzugsrecht (zB Art 10 Abs 2, Art 11 Abs 2 OECD-MA) für ins Ausland fließende Sondervergütungen aufgrund der ausschließlichen Einordnung als Unternehmensgewinne nach Art 7 OECD-MA nicht zum Zuge kommen kann (vgl Salzmann, IWB 2010, 902/905; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 47b (20. Aufl); FG Mchn vom 08.11.2012, EFG 2013, 455 als Vorinstanz zum Normenkontrollverfahren I R 4/13).
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Qualifikationsfiktion des § 50d Abs 10 S 1 EStG ist jedoch grundsätzlich, dass eine Sondervergütung, dh ein Gesellschafterbeitrag gegen Entgelt, überhaupt vorliegt. Bei unentgeltlich überlassenen WG oder Darlehen greift § 50d Abs 10 EStG nicht, dh, es bleibt bei den abkommensrechtlichen Zuweisungsregeln. Bei teilentgeltlichen Vorgängen gilt § 50d Abs 10 EStG für den entgeltlichen Teil (BMF vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258 Tz 5.1.1.).
Rn. 188
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§ 50d Abs 10 S 2 EStG erweitert den Anwendungsbereich der durch S 1 festgelegten Einkunftskategorie auf die durch das Sonder-BV veranlassten Erträge und Aufwendungen. Die innerstaatliche Wertung, dass die gewerblichen Einkünfte eines Mitunternehmers neben den Sondervergütungen auch persönliche Aufwendungen und Erträge umfassen, die durch den Mitunternehmeranteil verursacht sind, findet damit auch bei der abkommensrechtlichen Einkunftsqualifikation Berücksichtigung (unter § 50d Abs 10 EStG idF JStG 2009 war das bisher nicht der Fall – BFH vom 08.09.2010, BStBl II 2014, 788, Tz 19).
Ungeklärt und im Einzelnen strittig ist dabei die Reichweite der einzubeziehenden Sonder-BE und Sonder-BA. Nach nationalen Einkunftsabgrenzungsgrundsätzen umfasst der Anwendungsbereich des § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 Hs 2 EStG sowohl Sonder-BE und -BA aus dem Sonder-BV I (zB insb Abschreibungen auf WG des Sonder-BV I, Refinanzierungszinsen, Veräußerungsgewinne) als auch solche aus Sonder-BV II (zB Dividendenausschüttungen auf Anteile im Sonder-BV II, Refinanzierungszinsen der PersG-Beteiligung, s hierzu zB BFH vom 22.06.2006, IV R 56/04, BStBl II 2006, 838 mwN; s § 15 Rn 91 (Bitz)). Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind damit Sonder-BE und -BA ohne Bezug zu Sonder-BV nicht betroffen (zB bei Tätigkeitsvergütungen oder bei WG, die aufgrund untergeordneter Bedeutung nicht in der Sonderbilanz angesetzt werden; s auch Rosenberg/Placke, DB 2014, 2434, 2437; Cloer/Hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 374 (07/2017); Gebhardt in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 50d EStG Rz 96 (6. Aufl)).
Bejaht wird im Grundsatz übereinstimmend der Einbezug der durch das Sonder-BV I veranlassten Erträge und Aufwendungen, sofern auch Sondervergütungen gezahlt werden (Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 45b, 20. Aufl; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 289 (06/2020); Cloer/Hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 376 (07/2017)). Allerdings sollte die Zuordnungsfiktion des § 50d Abs 10 S 3 EStG sinnvollerweise nur dann greifen, wenn eine Sondervergütung vorhanden ist, zu der die Erträge und Aufwendungen des Sonder-BV I einen wirtschaftlichen Zusammenhang aufweisen (aA Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 45b (20. Aufl); Pohl, DB 2013, 1572/1575; Cloer/Keilhoff/Leich, PIStB 2014, 199/204; aufgrund des Wortlauts Zuordnung jeglicher Sonder-BE/-BA auch ohne wirtschaftliche Veranlassung zur Sondervergütung).
Rn. 188a
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Nicht abschließend geklärt ist bislang die Behandlung des Sonder-BV II. Ein Teil der Literatur lehnt den Einbezug der aus Sonder-BV II resultierenden Erträge und Aufwendungen ab, da dieses definitionsgemäß nicht zu Sondervergütungen iSd § 50d Abs 10 S 1 EStG führt (zB Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 292a (06/2020); Cloer/Hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 377 (07/2017); Gebhardt, IStR 2015, 808/809; Nitzschke, Ubg 2015, 523, 52...