Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 107
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Missbrauchsvermutung des § 50d Abs 3 S 1 EStG erfüllt, kann diese widerlegt durch den Nachweis, dass keiner der Hauptzwecke für die Einschaltung der Körperschaft die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Die Rechtsfolgen des § 50d Abs 3 S 1 EStG kommen dann nicht zur Anwendung, sodass die Entlastungsberechtigung der zwischengeschalteten Körperschaft bestehen bleibt.
Dieser Principal Purpose Test ermöglicht es grundsätzlich, die unionsrechtlich zweifelhafte Verschärfung der Missbrauchsvermutung des § 50d Abs 3 S 1 EStG zu relativieren. Ihm kommt deshalb eine hohe praktische Bedeutung zu. Ob sich der EuGH zukünftig wieder mit § 50d Abs 3 EStG auseinandersetzen muss, wird maßgeblich von den Anforderungen des BZSt an die Erbringung des Gegenbeweises abhängen. Schwierigkeiten kann hier bereiten, dass das Gesetz den Negativbeweis fordert, dass keiner der Hauptzwecke in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils besteht. Da der Nachweis einer fehlenden Tatsache denklogisch nicht lückenlos möglich ist, kann dies nur gelingen, wenn die zwischengeschaltete Körperschaft positiv die für ihre Zwischenschaltung maßgeblichen Haupt- und Nebenzwecke nachweist und insb zeigen kann, dass keine Steuervorteile durch die Zwischenschaltung erlangt werden (s BT-Drs 19/27632, 61; ebenso Loschelder in Schmidt, § 50d EStG Rz 27 (42. Aufl 2023); Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 519, 547 (03/2022); Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 60 (12/2022); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 87 (12/2021); Sternberg in K/S/M, § 50d EStG Rz B53 (11/2023)).
Rn. 108
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Für die Erbringung des Gegenbeweises sind sämtliche Gründe für die Zwischenschaltung des KStPfl zu ermitteln und in Haupt- und Nebenzwecke zu gliedern. Bei den außersteuerlichen Zwecksetzungen sind Gründe jedweder Art zu berücksichtigen, insb auch solche die sich aus der Konzernsicht ergeben.
Das in der Altregelung des § 50d Abs 3 S 2 EStG idF BeitrRLUmsG enthaltene Verbot der Merkmalsübertragung im Konzern ist nicht übernommen worden. Einzubeziehen sind demnach zB Gründe der Koordination, Organisation im Konzern, Aufbau einer Kundenbeziehung, örtliche Präferenzen, unternehmerische Gesamtkonzeption sowie Organschaften und andere Fiskaleinheiten. Sonst beachtliche Gründe können ua rechtlicher, politischer oder auch religiöser Natur sein, im Privatbereich zB die Sicherung von Inlands-Vermögen in Krisenzeiten, künftige Erbregelungen und der Aufbau einer Alterssicherung für den Gesellschafter (s zur Vorgängerregelung BMF BStBl 2012, 171 Tz 6, 8; instruktiv zum Principal Purpose Test FG Köln vom 21.06.2023, EFG 2023, 1722; FG Köln vom 16.02.2022; EFG 2022, 1607 zu nicht ausreichenden Prestigegründen).
Die Gewichtung in Haupt und Nebenzwecke ist gesetzlich nicht vorgegeben und kann daher je nach Einzelfall qualitativ oder quantitativ begründet werden. Bei dieser Wertung sind auch unternehmerische Beurteilungsspielräume zu beachten (s Loschelder in Schmidt, § 50d EStG Rz 28 (42. Aufl 2023); FG Köln vom 21.06.2023, EFG 2023, 1722 Tz 69; auf die Streitanfälligkeit hinweisend Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 60 (12/2022); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 91 (12/2021)). Die Erlangung eines steuerlichen Vorteils kann insoweit ein Nebenzweck sein, der die Widerlegung der Missbrauchsvermutung nicht ausschließt, wenn ansonsten außersteuerliche Gründe iSd von Hauptzwecken für die Einschaltung der Körperschaft nachgewiesen werden können.
Zu beachten sind iRd Gegenbeweises insb rechtsgrundlagenverschiedene Entlastungsansprüche mittelbarer Anteilseigner, die bei der Prüfung deren hypothetischen persönlichen Entlastungsberechtigung nach hM (s Rn 71f) außer Acht zu lassen sind. Soweit ein mittelbarer Anteilseigner bei Wegdenken der zwischengeschalteten Körperschaft ebenfalls persönlich für eine Quellensteuerentlastung berechtigt ist, spricht dies grds gegen eine missbräuchliche Zwischenschaltung (s FG Köln vom 30.06.2020, EFG 2021, 117 Tz 54; NZB abgelehnt BFH 09.06.2021, I B 60/20, BFH/NV 2021, 1481).
Rn. 109
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Was unter dem Begriff des steuerlichen Vorteils iSd § 50d Abs 3 S 2 EStG fällt, ist derzeit strittig. Der Gesetzeswortlaut spricht von der Erlangung "eines" steuerlichen Vorteils, eine Bezugnahme auf die konkrete inländische Quellensteuerentlastung fehlt. Nach der Gesetzesbegründung sollen daher auch ausländische Steuervorteile in die Betrachtung mit einzubeziehen sein (BT-Drs 19/27632, 60; so auch die hM Sternberg in K/S/M, § 50d EStG Rz B55f (11/2023); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 94 (12/2021); Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 30 (22. Aufl 2023)).
UE sprechen Sinn und Zweck der Regelung gegen den generellen Einbezug ausländischer Steuervorteile (kritisch auch zB Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (296); Beutel/Oppel, DStR 2023, 1017 (1021); Grotherr, DStZ 2021, 140 (146)). Nach nationalem und nach ...