Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
1. Grundsätzliches
Rn. 60
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 3 S 1 EStG normiert eine gesetzliche Missbrauchsvermutung, die zur Ablehnung eines Entlastungsanspruch von der KapSt und vom Steuerabzug nach § 50a EStG führt, und knüpft diese an das Vorliegen zweier tatbestandlicher Voraussetzungen, die den Grundfall des Treaty- oder Directive-Shopping abbilden sollen. In persönlicher Hinsicht muss die Beteiligung oder Begünstigung von Personen gegeben sein, denen der Entlastungsanspruch nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (§ 50d Abs 3 S 1 Nr 1 EStG – fehlende hypothetische persönliche Entlastungsberechtigung).
In sachlicher Hinsicht wird vorausgesetzt, dass die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit des ausländischen Rechtsträgers aufweist; nicht als Wirtschaftstätigkeiten gelten dabei das Erzielen der Einkünfte, deren Weiterleitung sowie eine Tätigkeit ohne angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb (§ 50d Abs 3 S 1 Nr 2 EStG – fehlende sachliche Entlastungsberechtigung).
Beide Voraussetzungen müssen gleichzeitig vorliegen, um den Entlastungsanspruch auszuschließen. Aufgrund ihrer quantitativ-konditionalen Verknüpfung ("soweit") ist bei jeweils nur teilweiser Erfüllung der persönlichen und sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen eine entsprechende anteilige Kürzung des Entlastungsanspruchs vorzunehmen.
2. Fehlende persönliche Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs 3 S 1 Nr 1 EStG)
a) Beteiligte oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigte Personen
Rn. 61
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Im Rahmen der hypothetischen persönlichen Entlastungsberechtigung erfasst § 50d Abs 3 S 1 Nr 1 EStG Personen, die an ihr (dh an der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse) beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder sonstige Verfassung begünstigt sind. Wie bereits bei den Altregelungen ist die erforderliche Beteiligung an der zwischengeschalteten Körperschaft nur gegeben, wenn es sich um Mitgliedschaftsrechte handelt, die aus der organisationsrechtlichen Verfassung der Körperschaft resultieren und die einen Anteil am Kapital vermitteln; nur schuldrechtlich begründete Beziehungen ohne Vermittlung von Mitgliedschaftsrechten (zB aus stillen Beteiligungen, Darlehen oder Genussrechten) genügen nicht (s auch zB Hagena in H/H/R, EStG § 50d Rz 55 (12/2022); differenzierend für beteiligungsähnliche Genussrechte Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 43 (12/2021)).
Erweitert gegenüber den früheren Gesetzesfassungen wurde der Wortlaut auf Personen, die nicht beteiligt, sondern durch Satzung, Stiftungsgeschäft oder sonstige Verfassung begünstigt sind und somit gleichermaßen Ansprüche auf die Erträge der zwischengeschalteten Körperschaft geltend machen können. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist damit bezweckt, möglichst alle Personen zu erfassen, die zwar nicht als Gesellschafter beteiligt sind, aber dennoch an den Erträgen der Körperschaft teilhaben und damit auch von einer missbräuchlichen Quellensteuerentlastung profitieren können (BT-Drs 19/27632, 59).
Diese Zielsetzung einer möglichst umfassenden Missbrauchsbekämpfung weist zwar in Richtung einer weiten Auslegung des Begriffs der Begünstigung. Dennoch sind uE vom Gesetzeswortlaut nur solche Begünstigungen erfasst, die sich aus der korporativen Verfassung der zwischengeschalteten Körperschaft ergeben. Dies schließt wiederum schuldrechtliche Vereinbarungen, wie zB Darlehen und Genussrechte, sowie gleichermaßen stille Gesellschaften aus, deren organisationsrechtliche Basis der Gesellschaftsvertrag nach §§ 230ff HGB darstellt und nicht Ausfluss einer sonstigen inneren Verfassung der Körperschaft ist (zutreffend Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 184 (03/2022); aA Sternberg in K/S/M, § 50d EStG Rz B20 (11/2023); Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 23 (22. Aufl 2023); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 43 (12/2021); Grotherr, DStR 2021, 1321 (1323)).
Rn. 62
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Für die solcherart beteiligten bzw begünstigen Personen ist festzustellen, ob ihnen der Quellensteuerentlastungsanspruch zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Systematisch können daher Personen iSv § 50d Abs 3 S 1 Nr 1 EStG grds nur solche sein, die aus Sicht des deutschen Steuerrechts auch Einkünfte erzielen können, dh also Körperschaften iSd § 1 Abs 1 KStG, PersGes, die nach § 1a KStG zur KSt optiert haben, und natürliche Personen.
Nicht einbezogen sind ausländische PersGes, die nach deutscher Rechtswertung transparent besteuert werden und somit kein Subjekt der Einkunftserzielung sind (zB Mitunternehmerschaften iSd § 15 EStG, vermögensverwaltende PersGes). Ist eine transparent besteuerte PersGes an der den Entlastungsanspruch begehrenden Körperschaft beteiligt, ist für die Prüfung des fiktiven Entlastungsanspruchs auf die hinter der PersGes stehenden Personen abzustellen, die nach deutscher Steuerwertung Steuersubjekte darstellen (BFH vom 18.05.2021, I R 77/17, BStBl II 2022, 114: unmittelbare Zurechnung nach Bruchteilen bei Beteiligung über eine vermögensverwaltende PersGes; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 21...