Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 202
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Tatbestandlich knüpft § 50d Abs 11 EStG zunächst an die abkommensrechtliche Schachtelfreistellung an: S 1 der Regelung erfasst Dividenden, die nach einem DBA beim Zahlungsempfänger von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden. Die Freistellung muss abkommensrechtlich nach Maßgabe des Methodenartikels bei tatsächlicher Vereinnahmung durch eine begünstigte Person gewährt werden (zB Art 20 DBA Frankreich); eine Freistellung aufgrund anderer Abkommensartikel (zB Verteilungsnormen wie Art 21) wird hingegen nicht erfasst (Kollruss, AG 2012, 909f). Begünstigte Personen iRd Methodenartikels sind dabei regelmäßig in der Bundesrepublik ansässige KapGes.
Nicht in den Anwendungsbereich der Regelung fällt eine abkommensrechtliche Dividendenfreistellung, die statt der Zahlung an die Nutzungsberechtigung im Sinne einer steuerlichen Zurechnung anknüpft (Wagner in Blümich, § 50d Rz 139 (06/2013); Wittkowski, GmbHR 2012, R 85). Dies ist beispielsweise in Art 23 Abs 1 Nr 3 DBA Belgien der Fall.
Die überwiegende Mehrheit der deutschen DBA stellt jedoch bisher allein auf die Zahlung für die Gewährung des Schachtelprivilegs ab (insb mit wichtigen Handelspartnern wie USA, Niederlande, Großbritannien, Luxemburg. Zum bisherigen Standardtext der deutschen Vertragspraxis s Vogel/Lehner, DBA, Art 23 Rz 18. Erst die im April 2013 veröffentlichte neue deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage enthält in Art 22 Abs 1 standardmäßig die weitere Berücksichtigung der steuerlichen Zurechnung).
Andere Einkünfte als Dividenden, wie zB Veräußerungsgewinne, werden nach dem Wortlaut nicht betroffen. Aus diesem eingegrenzten Anwendungsbereich des § 50d Abs 11 EStG resultieren uU Gestaltungsmöglichkeiten bei doppelt ansässigen hybriden KapGes (s Kollruss, StBP 2012, 273 und BB 2013, 157).
Rechtsfolge aus § 50d Abs 11 S 1 EStG ist die Einschränkung der abkommensrechtlichen Dividendenfreistellung auf den Teil, der nach den Wertungen des deutschen Steuerrechts nicht einer anderen Person, dh einem anderen Steuersubjekt, zuzurechnen ist.
§ 50d Abs 11 S 2 EStG setzt im nächsten Schritt auf der Ebene des Steuersubjektes an, dem die Dividenden ganz oder teilweise nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zugerechnet werden. Eine Freistellung wird danach gewährt, wenn die Dividenden bei einem fiktiven Bezug durch dieses Steuersubjekt nach Maßgabe des Abkommens freigestellt würden.
Rn. 203
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 11 EStG bewirkt damit im Endeffekt eine Verschiebung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zu derjenigen Person, die nach deutschem Steuerrecht Zurechnungsempfänger der Dividenden ist. Handelt es sich dabei um eine natürliche Person, verbleibt es bei der Nichtanwendung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs nach S 1 der Regelung. Ist steuerlicher Zurechnungsempfänger eine im Inland ansässige KapGes, kann diese wiederum die abkommensrechtliche Freistellung nach S 2 beanspruchen. Da innerstaatliche Steuerbefreiungen (zB § 8b Abs 1 KStG) durch § 50d Abs 11 EStG unberührt bleiben (BT-Drs 17/8867, 13), ergibt sich aus der Anwendung von § 50d Abs 11 S 2 EStG nur in speziellen Bereichen eine Begünstigung (zB bei fehlender Steuerfreiheit aufgrund § 8b Abs 7 KStG). Aufgrund dieses verbleibenden Anwendungsbereichs wäre allerdings uE eine Streichung von § 50d Abs 11 S 2 EStG – wie teilweise gefordert (vgl Kollruss/Weissert/Dilg, DB 2013, 428) – nicht sachgerecht.
Rn. 204
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Regelung entfaltet auch bei mehrstöckigen Strukturen ihre Wirkung, da sie grundsätzlich auf den Empfänger der Zurechnung nach deutschem Steuerrecht abstellt (so auch Wilhelm in H/H/R, § 50d EStG Rz J 12–6 (05/2013); Gosch in Kirchhof, § 50d EStG Rz 51 (13. Aufl 2013); aA Kollruss, BB 2013, 160f). Empfänger idS ist diejenige Person in der Kette von Gesellschaften, die als Erste nach deutschem Steuerrecht die Einkunftserzielung verwirklicht.
Steht zB an der Spitze einer Kette hintereinandergeschalteter atypisch stiller KapGes-Beteiligungen eine natürliche Person, ist diese aufgrund der steuerlichen Transparenz der zwischengeschalteten Mitunternehmerschaften anteilig steuerlicher Zurechnungsempfänger der Dividenden und wird insoweit nach § 50d Abs 11 EStG von der abkommensrechtlichen Schachtelfreistellung ausgeschlossen (aA Kollruss, BB 2013, 160f).
Bei mehrstöckigen KGaA-Strukturen hängt die Reichweite von § 50d Abs 11 EStG entscheidend von der innerstaatlichen Wertung dieser Rechtsform als vollumfänglich intransparentes oder teiltransparentes Steuersubjekt ab. Nur dann, wenn man die KGaA als vollumfänglich intransparent für Zwecke der Einkunftszurechnung betrachtet, ist der Anwendungsbereich des § 50d Abs 11 EStG bei mehrstöckigen KGaA-Strukturen auf den unmittelbaren Gesellschafter derjenigen KGaA begrenzt, die die ausländischen Schachteldividenden vereinnahmt.
Die Besteuerungskonzeption der KGaA ist jedoch derzeit weder in der Literatur noch durch die Rspr abschließend geklärt (s für einen umfassenden ...