Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1463
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Tatbestandlich erfordert § 6 Abs 3 EStG die "Übertragung". Der de lege nicht definierte Begriff kann in diesem Zusammenhang nur dahin ausgelegt werden, dass es sich um einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang handeln muss, der den ganzen geschäftlichen Organismus umfasst – insoweit vergleichbar einer entgeltlichen Betriebsveräußerung (s § 16 neu Rn 54 (Schacht)). Entsprechendes gilt für den Teilbetrieb. Die schenkweise Übertragung durch mehrere Übertragungsakte, die nicht auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhen, ist damit kein Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs 3 EStG.
Dabei legt die Rspr das Merkmal des einheitlichen Vorganges im Rahmen von Erbfolgeplanungen ausgesprochen großzügig aus. In BFH BStBl II 1994, 15; FG Köln EFG 1996, 468 ist eine sich über zwei Jahre hinziehende Gesamtübertragung noch als einheitlicher Vorgang gewürdigt worden, sofern der erste und letzte Übertragungsakt durch besondere persönliche Umstände sachlich verknüpft sind. S auch BFH BStBl II 1989, 653. Allerdings bedarf es dazu eines einheitlichen Willensentschlusses, der im Falle BFH BFH/NV 1993, 161 nicht vorlag (bei dreijährigem Zeitraum).
Kein einheitlicher Übertragungsvorgang ist auch dann gegeben, wenn der Übertragende aus rechtlichen Gründen an der Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen gehindert ist. Dies gilt auch dann, wenn er diese Gründe nicht zu vertreten hat (BFH v 06.05.1999, VIII B 78/98, BFH/NV 1999, 1329).
Rn. 1464
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine Rückfallklausel ist unschädlich für den Fall einer Scheidung (BFH BStBl II 1998, 542) und der späteren Aufgabe der Mitunternehmerstellung (BFH BFH/NV 1999, 9 mwN, ab 2002 ist allerdings die Fünf-Jahres-Frist nach § 6 Abs 3 S 2 EStG beachtlich), umgekehrt ist schädlich der Vorbehalt eines freien Widerrufsrechtes (BFH BStBl II 1989, 877; FG Brandenburg EFG 2000, 16, wirtschaftliches Eigentum!).
Rn. 1465
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Übertragung muss auf einen Erwerber (natürliche Person) oder auf mehrere gesellschaftsrechtlich verbundene Erwerber (zB Kinder als Gesellschafter einer den Betrieb fortführenden OHG) erfolgen, eine Zerschlagung des Betriebes ist also im Hinblick auf eine gewünschte Buchwertfortführung schädlich. Bei Übertragung auf eine KapGes geht § 6 Abs 6 EStG (s Rn 1791, 1794ff) vor, so dass eine Buchwertfortführung bei stillen Reserven ausscheidet. Das gilt auch, wenn an der übernehmenden PersGes mitunternehmerisch eine KapGes direkt oder indirekt beteiligt ist; bei wörtlicher Gesetzesauslegung würde das zB im Falle einer GmbH & Co KG gelten, an der – wie üblich – die GmbH kapitalmäßig gar nicht beteiligt ist. Ein solches (Auslegungs-)Ergebnis kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Die sinnvolle Gesetzesauslegung muss einen Analogieschluss zu § 6 Abs 5 S 5 EStG mit quotaler Aufdeckung der stillen Reserven ziehen (s Stellungnahme des IDW, WPg 2001, 1258, 1260).
Rn. 1466
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
"Übertragung" verlangt tatbestandlich auch die Einstellung der bisherigen betrieblichen Betätigung durch den Überträger sowie Tiedtke/Wälzholz, DStR 1999, 217). Voraussetzung ist, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt. Daran fehlt es jedoch, wenn die einzige wesentliche Betriebsgrundlage aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs vom bisherigen Betriebsinhaber weiterhin gewerblich genutzt wird (BFH v 25.01.2017, X R 59/14, BFH/NV 2017, 1077; vgl Hübner/Friz, DStR 2017, 2353).
Die FinVerw hat mit BMF-Schreiben v 20.11.2019 klargestellt, dass diese Grundsätze nicht für die Übertragung von Mitunternehmeranteilen gelten (BMF BStBl I 2019, 1291 Rz 7). Die Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts steht danach der Buchwertfortführung nicht entgegen, wenn der neue Gesellschafter Mitunternehmer wird. Im Umkehrschluss könnte daraus abgeleitet werden, dass eine Buchwertübertragung nicht möglich ist, wenn nicht der neue Gesellschafter, sondern nur der Nießbraucher Mitunternehmer wird (Brüggemann, ErbBstg 2020, 16). Die Übertragung eines im Ganzen verpachteten gewerblichen Einzelunternehmens unter Vorbehalt des Nießbrauchsrechts fällt entsprechend der Rspr des BFH nicht unter § 6 Abs 3 EStG.
Rn. 1467
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine Übertragung liegt erst vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen übergegangen ist. Deswegen ist ein Nießbrauchsvorbehalt idR unschädlich, wenn er kein wirtschaftliches Eigentum des Übertragenden am Vorbehalts-WG bewirkt (BFH BStBl II 1989, 653; 1999, 263). Anders verhält sich dies, wenn wirtschaftlicher Eigentümer eines unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Grundstücks ausnahmsweise der Übertragende bleiben sollte, weil er das Grundstück wirtschaftlich unverändert wie zuvor nutzt (s Uhl-Ludäscher in H/H/R, § 6 EStG Rz 1206 (08/2021)). So hat der BFH v 25.01.2017, X R 59/14, BFH/NV 2017, 1077 seine Rspr fortgesetzt und entschieden, dass § 6 Abs 3 EStG keine Anwendung findet, wenn die einzige wesentliche ...