Rn. 157

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

§ 62 Abs 2 EStG wurde mWv 01.03.2020 neu gefasst (Art 3 Nr 2, Art 39 Abs 3 Gesetz zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451). Da die in § 62 Abs 2 EStG aF genannten Anspruchsvoraussetzungen noch an die bisher im Aufenthaltsgesetz genannten Vorschriften über Aufenthaltstitel anknüpften, war eine Anpassung der Ausländerklausel an die geänderten Bezugspunkte erforderlich (BT-Drucks 19/13436, 123). Die Neufassung des § 62 Abs 2 EStG erfolgte aufgrund der Änderungen im AufenthG, die sich durch das FachkräfteeinwanderungsG v 15.08.2019, BGBl I 2019, 1307 und durch das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung v 08.07.2019, BGBl I 2019, 1021 ergeben haben.

Mit der Maßnahme wird zudem Art 12 Abs 1 Buchst e der Richtlinie 2011/98/EU umgesetzt (BT-Drucks 19/13436, 124). Danach haben nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, die über eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verfügen, einen Anspruch auf Gleichbehandlung bezüglich der Familienleistungen. Unionsrechtlich ist der Ausschluss von einem solchen Anspruch nach Art 12 Abs 2 Buchst b der Richtlinie 2011/98/EU lediglich zulässig für Personen, denen die Erlaubnis erteilt wurde, für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedsstaates zu arbeiten (vgl auch Urteil des EuGH v 21.06.2017, C 449/16, Rs Martinez Silva).

 

Rn. 158–159

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

vorläufig frei

A. Vorbemerkung

 

Rn. 160

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Zusätzlich zu den Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs 1 EStG müssen nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs 2 EStG erfüllen. Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer hat danach nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz eines der in § 62 Abs 2 Nr 1–4 EStG genannten Aufenthaltstitel ist.

 

Rn. 161–174

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

vorläufig frei

B. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs 2 EStG

1. Zum Begriff des nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers

 

Rn. 175

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer erhalten Kindergeld nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs 2 EStG gegeben sind. Nach § 1 Abs 2 AuslG ist jeder Ausländer, der nicht Deutscher iSd Art 116 Abs 1 GG ist. Auch Staatenlose und Kontingentflüchtlinge sind nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, BFH v 22.11.2007, III R 60/99, BStBl II 209, 910. Für Staatenlose und Kontingentflüchtlinge (§ 1 HumHiG) ergibt sich weder aus Art 24 noch aus Art 29 des Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk verkündet mit Gesetz v 12.04.1976, BGBl II 1976, 473) bzw aus dem gleichlautenden Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention, verkündet mit Gesetz v 01.09.1953, BGBl II 1953, 559) ein Anspruch auf Kindergeld, BFH v 22.11.2007, III R 60/99, BStBl II 2009, 910; BFH v 25.10.2007, III R 90/03, BStBl II 2009, 908.

Nur dann, wenn Staatenlose aus einem EU/EWR-Staat nach Deutschland einreisen, finden die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Einbeziehung der Staatenlosen und deren Gleichbehandlung mit Inländern Anwendung; bei unmittelbarer Einreise aus einem Drittland lassen sich aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften keine Rechte auf Kindergeld ableiten, FG Nbg v 20.11.2014, 3 K 1533/13; FG Bdw v 05.05.2010, 14 K 1352/10.

Erfüllen nichtfreizügigkeitsberechtigte Ausländer die Voraussetzungen des § 62 Abs 2 EStG nicht, ergibt sich für sie auch nach Art 28 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates v 29.04.2004 (Abl EU Nr L 304, 12) – Qualifikationsrichtlinie – kein Anspruch auf Kindergeld, BFH v 23.10.2009, III S 72/08 (PKH), BFH/NV 2010, 203. Dem FG obliegt es, die ausländerrechtlichen Voraussetzungen festzustellen, BFH v 27.09.2012, III R 48/10, BFH/NV 2013, 189.

2. Freizügigkeitsberechtigte Ausländer

 

Rn. 176

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Die Erfordernisse des § 62 Abs 2 EStG gelten nicht für solche Ausländer nebst Angehörigen, die freizügigkeitsberechtigt sind, so zB ein polnischer ArbN mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, BFH v 07.04.2011, III R 89/08, BFH/NV 2011, 1324. Es sind dies die Staatsangehörigen der EU-Staaten und ihre Familienangehörigen, deren Rechtsstellung das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreiZügG/EU) geregelt hat (1 Abs 2 Nr 1 AufenthG iVm § 2 Abs 2 FreizügG/EU v 30.07.2004, BGBl I 2004, 1950). Nach § 12 FreizügG/EU gelten dessen Regeln auch für Staatsangehörige der EWR-Staaten und ihre Familienangehörigen.

Das Freizügigkeitsrecht ergibt sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht; eine Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU hat lediglich deklaratorische Natur. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch nach § 62 Abs 1 u 2 EStG muss das Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgers aus Art 21 Abs 1 AEUV berücksichtigt werden, solange nicht die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen dieses Rechts ausdrücklich durch förmlichen VA nach §§ 6,7 FreizüG/EU festgestellt hat, BFH v 27.04.2015, III B 127/14, BStBl II 2015, 901. So ist ein polnischer Staatsangehöriger, der für eine polnische Firma als ArbN im Inland beschäftigt ist,...

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