da) Begrifflichkeiten
daa) Handelsrecht
Rn. 89
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Den entgeltlich erworbenen "Geschäftswert"/"Firmenwert" (die Begriffe sind synonym) definiert § 246 Abs 1 S 4 HGB wie folgt:
Gegenleistung für die Übernahme eines Unternehmens (dh der Kaufpreis)
./. Wert der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich Schulden zur Zeit der Übernahme
= Geschäftswert/Firmenwert
Für die HB (HGB idF BilMoG ist grds anzuwenden auf Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2009 enden, Art 66 Abs 3 S 1 EGHGB, auf Wahl schon für nach dem 31.12.2008 beginnende Geschäftsjahre, Art 66 Abs 3 S 6 HGB idF Art 2 Nr 4 BilMoG v 25.05.2009, BGBl I 2009, 1102) ergibt sich Folgendes: Es besteht für den Geschäftswert/Firmenwert eine Aktivierungspflicht, abzuschreiben ist auf die voraussichtliche Nutzungsdauer (bei mehr als 5-jähriger Abschreibung Angabepflicht im Anhang, § 285 Nr 13 HGB), § 246 Abs 1 S 4, § 253 Abs 3 S 4 HGB:
dab) Steuerrecht
Rn. 89a
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Der BFH (BFH BStBl II 2010, 609; 2011, 875; ebenso FG Mchn DStRE 2011, 870 rkr) geht für das Steuerrecht auch von dieser HGB-Definition aus und meint, der Geschäftswert/Firmenwert sei Ausdruck der Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit diese nicht in einzelnen WG oder der Person des Unternehmers verkörpert sind, sondern durch den Betrieb eines lebenden Unternehmens gewährleistet erscheinen. Der Geschäftswert/Firmenwert sei grds (Ausnahmefälle denkbar bei Begründung Betriebsaufspaltung oder Realteilung, BFH BStBl II 2010, 609) mit dem Betrieb verwoben und könne daher nicht separat veräußert/entnommen werden.
Rn. 89b
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Auch personenbezogene Unternehmen (zB Friseurbetriebe, Apotheken) können einen Geschäftswert/Firmenwert haben (BFH BStBl II 2010, 609), nicht aber, wenn die Gewinne von der Person des Unternehmers abhängen und nicht von Eigenschaften seines Unternehmens wie Ruf, Kundenkreis, Organisation.
Rn. 89c
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Als (unselbstständige wertbildende) Bestandteile des Geschäfts-/Firmenwerts kommen daher zB in Betracht:
- Geschäftsbeziehungen (Eder, NWB F 17, 1965)
- Geschäfts-/Fabrikationsgeheimnisse (Eder, NWB F 17, 1965)
- Gewinnchancen aus schwebenden Verträgen (BFH BStBl II 1986, 176; 2011, 875 mit Anm Kanzler, FR 2011, 1097 und Staschewski, FR 2011, 197)
- grds Kundenstamm (BFH III R 40/07, DB 2010, 367; Eder, NWB F 17, 1965), Ausnahme s Rn 100 "Kundenstamm" u "Mandantenstamm"
- Lieferrechte für Leseringe (BFH BStBl II 1988, 50; 2011, 875 mit Anm Kanzler, FR 2011, 1097 und Staschewski, FR 2011, 197)
- Marktstellung (Eder, NWB F 17, 1965)
- Mitarbeiterstamm (Eder, NWB F 17, 1965)
- Möglichkeit, ein Grundstück in bestimmter Weise zu nutzen (BFH BFH/NV 2003, 21; BFH BStBl II 2011, 875 mit Anm Kanzler, FR 2011, 1097 und Staschewski, FR 2011, 197)
- Organisation des Unternehmens (BFH DB 2010, 367)
- Ruf (BFH III R 40/07, DB 2010, 367; Eder, NWB F 17, 1965)
- Standort (Eder, NWB F 17, 1965)
- grds Vertragsarztzulassung, Ausnahme s Rn 100 "kassenärztliche Zulassung"
- Werbekraft (Eder, NWB F 17, 1965)
db) Die Abgrenzung gegenüber dem Praxiswert
Rn. 90
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Der Begriff
dc) Die Abschreibbarkeit des Geschäftswerts/Firmenwerts nach Steuerrecht
Rn. 91
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Für alle nach dem 31.12.1986 beginnende Wj (§ 52 Abs 4, 6 EStG 1987) ist der entgeltlich erworbene Geschäftswert/Firmenwert ein abzuschreibendes WG (§ 7 Abs 1 S 3 EStG, geändert durch Art 10 Abs 15 BiRiLiG v 19.12.1985, BGBl I 1985, 2355). Der Gesetzgeber trug (s Bericht des Rechtsausschusses v 18.11.1985, BT-Drucks 10/4268, 146f) damit der Tatsache Rechnung, dass sich ein erworbener Geschäftswert im Lauf der Zeit verflüchtigt (ähnlich BFH BStBl II 2011, 875) und durch einen durch den neuen Inhaber selbst geschaffenen Geschäftswert ersetzt wird. Dazu s Rn 200f.
Rn. 92
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Rechtsgrundlage für die AfA-Fähigkeit ist nicht § 7 Abs 1 S 3 EStG, sondern § 6 Abs 1 Nr 1 EStG. § 7 Abs 1 S 3 EStG setzt nämlich vielmehr die AfA-Fähigkeit voraus. Ob man den Geschäftswert/Firmenwert seinem Wesen nach als nicht abnutzbar ansieht (s M. Söffing, DB 1987, 1753) und lediglich aufgrund gesetzlicher Regelung als abschreibbar oder von vornherein als abnutzbar, ist eine akademische Frage ohne praktische Auswirkung.
Rn. 93
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
vorläufig frei
Rn. 94
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Beteiligung an KapGes: Wird beim Erwerb der Beteiligung an einer KapGes ein Geschäfts- oder Praxiswert in den Anschaffungspreis einkalkuliert, so bleibt die erworbene Beteiligung dennoch ein nicht abnutzbares WG (§ 6 Abs 1 Nr 2 S 1 EStG; vgl BFH BStBl II 1986, 142).
dd) Vergleich HB und StB
Rn. 95
Stand: EL 154 – ET: 11/2021
Die Abschreibungszeiträume nach HB (ab BilMoG, s Rn 89) und StB sind für den Firmenwert/Geschäftswert unterschiedlich:
Handelsbilanz |
Steuerbilanz |
idR Abschreibung auf voraussichtliche Nutzungsdauer, § 253 Abs 3 S 4 HGB, im Anhang Angabepflicht betreffend Abschreibungszeitraum bei entgeltlich erworbenem Geschäfts- oder Firmenwert, § 285 Nr 13 HGB |
Feste lineare Abschreibung auf 15 Jahre (§ 7 Abs 1 S 3 EStG; kritisch dazu Ed... |