Rn. 2
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Nach der Fiktion des § 78 Abs 1 S 1 EStG aF gilt Kindergeld, das bis zum 31.12.1995 nach den Vorschriften des BKGG aF gewährt wurde, als nach des Vorschriften des EStG, also nach den §§ 70 Abs 1, 72 Abs 1 EStG durch die danach zuständige Familienkasse des Arbeitsamtes bzw des öffentlichen Dienstes festgesetzt. Im Interesse aller Beteiligten – der Familienkassen und der Berechtigten – ist damit die ununterbrochene Weiterzahlung des Kindergeldes praxisgerecht gewährleistet, indem hierfür grundsätzlich weder eine neue Antragstellung (§ 67 EStG) noch eine neue Kindergeldfestsetzung (§§ 70 Abs 1, 72 Abs 1 EStG) erforderlich sind, BT-Drucks 13/1558, 162.
Es handelt sich um eine gesetzliche Fiktion zur verwaltungstechnischen Erleichterung laufender Kindergeldzahlungen, BFH v 14.10.2002, VIII R 68/01, BFH/NV 2003, 460. Auch wenn § 78 Abs 1 S 1 EStG idF des JStG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) aufgehoben worden ist, ist die Regelung ihrer Wirkung nach zeitlich nicht beschränkt, BFH v 11.12.2013, XI R 42/11, BStBl II 2014, 840; Wendl in H/H/R, § 78 EStG Rz 2 (Juni 2020). Aus der Vorschrift folgt nicht, dass die sachliche Berechtigung für den Bezug von Kindergeld sich rückwirkend nach den Vorschriften des EStG 1996 richten soll. Auf Zeiträume vor dem 01.01.1996 ist das bis zum 31.12.1995 geltende Recht anzuwenden, BFH v 14.10.2002, VIII R 68/01, BFH/NV 2003, 460.
Rn. 3
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
"Gewährt" iSd § 78 Abs 1 S 1 EStG wurde Kindergeld, wenn es bis zum 31.12.1995 bewilligt war, dh, die der Festsetzung zu Grunde liegende Verfügung abschließend gezeichnet war. Die Bekanntgabe der Kindergeldfestsetzung und/oder die Kindergeldauszahlung erst in 1996 beeinträchtigte die rechtzeitige Bewilligung nicht.
Rn. 4
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
§ 78 Abs 1 S 1 EStG aF fingierte die Festsetzung des Kindergelds zum 01.01.1996 in der Weise, dass Kindergeld, welches bis zum 31.12.1995 nach den Vorschriften des BKGG gewährt wurde, als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt gilt (BFH v 26.01.2001, VI R 89/00, BFH/NV 2001, 1018; BFH v 27.12.2000, VI B 187/00, BFH/NV 2001, 775). Dementsprechend kann § 70 Abs 2 EStG auf vor dem 01.01.1996 eingetretenen Änderungen keine Anwendung finden. Die nach § 78 Abs 1 S 1 EStG aF fingierte Festsetzung kann gemäß § 70 Abs 2 EStG nur wegen solcher Änderungen in den Verhältnissen aufgehoben werden, die nach dem 01.01.1996 eingetreten sind, BFH v 12.05.2000, VI R 100/99, BFH/NV 2001, 21; BFH v 24.05.2000, VI B 251/99, BFH/NV 2002, 1294.
Rn. 5
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Die Festsetzungsfiktion des § 78 Abs 1 S 1 EStG aF gilt auch dann, wenn die Festsetzung des Kindergelds nach dem BKGG aF von vornherein rechtswidrig war, FG Nds v 24.08.1999, VI 634/96 Ki sowie ferner in dem Fall, dass nach dem 31.12.1995 rückwirkend Kindergeld bis einschließlich Dezember 1995 gewährt wurde, FG München v 06.12.2006, 9 K 1893/02, EFG 2007, 1204..
Rn. 6
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Die Festsetzungsfiktion entfällt nicht dadurch rückwirkend, dass nach dem 31.12.1995 der Bescheid, der Kindergeld nach den Vorschriften des BKGG gewährte, aufgehoben worden ist, BFH v 26.01.2001, VI R 89/00, BFH/NV 2001, 1018. Die Bescheidsfiktion nach § 78 Abs 1 S 1 EStG aF (Weitergewährung nach den Vorschriften des EStG) greift dagegen dann nicht ein, wenn die Bewilligung von Kindergeld nach dem BKGG vor dem 01.01.1996 aufgehoben wurde, weshalb in diesen Fällen für Kindergeld ab 1996 die Antragsfrist des § 65 Abs 3 EStG aF zu beachten war, BFH v 27.12.2000, VI B 187/00, BFH/NV 2001, 775.
Rn. 7–10
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vorläufig frei