1. Übersicht
Rn. 830
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
WK sind nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG auch Aufwendungen für Arbeitsmittel, zB für Werkzeuge und typische Berufskleidung. Eine Definition des Arbeitsmittels enthält die Vorschrift nicht; Werkzeuge und Berufskleidung stellen lediglich Bsp für Arbeitsmittel dar.
Nach st Rspr sind unter Arbeitsmittel alle WG zu verstehen, die unmittelbar der Erledigung beruflicher Aufgaben dienen (zB BFH v 15.01.1993, VI R 98/88, BStBl II 1993, 348). Erstreckt sich die Nutzungsdauer des Arbeitsmittels über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, können die Aufwendungen nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 S 2 EStG – entgegen dem Abflussprinzip des § 11 Abs 2 EStG – nicht sofort abgezogen werden, sondern sind in Form von AfA über die Nutzungsdauer zu verteilen.
2. Anwendungsbereich
Rn. 831
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG gilt für sämtliche Überschusseinkunftsarten. Mag auch das Schwergewicht der Vorschrift im Bereich der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit liegen, so können auch iRd übrigen Einkunftsarten Aufwendungen für Arbeitsmittel entstehen, zB Aufwendungen für einen Computer, mit dem der Rentner seine Renteneinkünfte verwaltet bzw der Vermieter die Nebenkostenabrechnungen für die Vermietungsobjekte erstellt. Bei den Einkünften aus KapVerm ist jedoch ab 01.01.2009 das WK-Abzugsverbot des § 20 Abs 9 EStG zu beachten.
Wird ein Arbeitsmittel im Zusammenhang mit mehreren Einkunftsarten genutzt, so sind die Aufwendungen entsprechend dem Verhältnis der zeitlichen Inanspruchnahme des Arbeitsmittels für die jeweiligen Tätigkeiten aufzuteilen.
3. Systematische Einordnung
Rn. 832
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Auch Aufwendungen für Arbeitsmittel sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen; § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG ist daher nur ein Anwendungsfall des allgemeinen WK-Begriffs des § 9 Abs 1 S 1 EStG und hat insoweit deklaratorische Bedeutung (Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 507; v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG H 2; aA Lademann, § 9 EStG Rz 118 insofern, als die Vorschrift eine Ausnahme vom dem Grundsatz bilde, dass Aufwendungen im Vermögensbereich bei Überschusseinkünften nicht zu berücksichtigen sind).
Konstitutive Bedeutung hat jedoch die Erwähnung der typischen Berufskleidung, weil auch das Tragen von Berufskleidung das dem Bereich der Lebensführung zuzuordnende Bedürfnis, bekleidet zu sein, befriedigt; die Regelung des § 12 Abs 1 S 2 EStG, die auch nach Aufgabe der bisherigen Rspr zum Aufteilungs- und Abzugsverbot bei gemischt privat und beruflich veranlassten Aufwendungen dem Abzug entgegenstehen würde, weil es gerade beim Tragen von Kleidung an Maßstäben für eine Aufteilung der Aufwendungen fehlt (dazu s § 12 Rn 126ff (Wienbergen)), kommt nicht zur Anwendung (BFH v 20.11.1979, VI R 143/77, BStBl II 1980, 73). Ebenfalls konstitutiv ist § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 S 2 EStG: Ohne die Norm wären die Aufwendungen nach dem Abflussprinzip des § 11 Abs 2 EStG im Jahr der Zahlung in voller Höhe abzugsfähig.
Rn. 833
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Im Verhältnis zu § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG bzw den Familienheimfahrten der Nr 5 ist die Rechtsnorm nachrangig: Auch wenn ein Fahrzeug als Arbeitsmittel zu beurteilen ist, sind die Aufwendungen für die Fahrt nur in Höhe der Entfernungspauschale zu berücksichtigen. Dies gilt auch für eine Leasingsonderzahlung (BFH v 15.04.2010, VI R 20/08, BStBl II 2010, 805).
Vorrangig ist § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG hingegen im Verhältnis zu der Abzugsbeschränkung für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, § 9 Abs 5 iVm § 4 Abs 5 Nr 6b EStG (BFH v 21.11.1997, VI R 4/97, BStBl II 1998, 351; BFH v 05.10.2011, VI R 91/10, BStBl II 2012, 127; Geserich in K/S/M, § 9 EStG Rz H 130; dagegen mit beachtlichen Gründen Söhn, FR 1998, 637).
4. Rechtsentwicklung
Rn. 834
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Die erstmalige Erwähnung der Arbeitsmittel erfolgte im EStG 1925. Allerdings galt die Vorläufervorschrift (§ 16 Abs 5 Nr 5 EStG 1925) ausschließlich für ArbN. Diese Beschränkung auf Arbeitsmittel der ArbN fiel mit dem EStG 1934 weg. Wie § 9 EStG insgesamt, so gilt die seither unter der Nr 6 des § 9 Abs 1 S 3 EStG befindliche Regelung für sämtliche Überschusseinkunftsarten.
Mit dem StReformG 1990 v 25.07.1988 (BGBl I 1988, 1093) ergänzte der Gesetzgeber das Bsp der Berufskleidung um das Beiwort "typisch". Außerdem fügte er zwei weitere Sätze an: den heutigen S 2 (damals als S 3) mit der Verweisung auf die Anwendung der Abschreibungsvorschriften sowie als S 2 den Hinweis auf die Sofortabschreibung GWG gemäß § 6 Abs 2 EStG. Diesen S 2 verschob der Gesetzgeber mit dem WoBauFG v 22.12.1989 (BGBl I 1989, 2408) kurz darauf in die Nr 7 des § 9 EStG, der bisherige S 3 wurde zum S 2.
Rn. 835–839
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
vorläufig frei