Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Fischer
Bestände erhöhen Lieferfähigkeit nicht unbedingt
Es gibt häufig die Aussage, dass Bestände Sicherheit schaffen. Aber das ist nur dann richtig, wenn genau das benötigt wird, was im Lager vorhanden ist. Die Realität ist jedoch häufig so, dass trotz hoher Bestände die Materialverfügbarkeit nicht unbedingt gegeben ist. Weiterhin argumentiert der Einkäufer mit Preisvorteilen bei größeren Abnahmemengen oder mit einer zu erwartenden Preiserhöhung usw. Hier hilft nur, klare Regeln für die Reichweite aufzustellen. Dieses erfolgt am besten in Abhängigkeit zur ABC-/XYZ-Klassifizierung, die regelmäßig durchzuführen ist.
Eine allzu große Lagerreichweite, also Überbestände, kostet einerseits Geld, verbessert aber andererseits nicht unbedingt die Lieferbereitschaft. Das kann also nicht effizient sein. Wie kann also die Lagerreichweite optimiert werden?
Transparenz in Bestände bringen
Im 1. Schritt ist für Transparenz zu sorgen. Hierfür sind die Lagerartikel zu gruppieren und zu klassifizieren. Gruppieren bedeutet zunächst die Unterscheidung von Fertigwaren, Halbfabrikaten und Rohwaren (Materialien).
- Bei den Fertigwaren ist dann auf Artikelebene die Unterscheidung notwendig, ob ab Lager oder gegen Lieferzeit verkauft werden soll. Artikel, die ab Lager verkauft werden, benötigen einen bestimmten Lagerbestand. Die übrigen Artikel benötigen keinen Lagerbestand.
- Bei den Halbfabrikaten sollte unterschieden werden, ob es sich um gefertigte oder montierte Artikel handelt.
- Auch die Gruppe der Rohwaren (Materialien) benötigt eine weitere Unterteilung, beispielsweise ob es sich um Standardteile handelt oder um Spezialteile.
Nach dieser Gruppierung werden nun die Artikel in den einzelnen Gruppen klassifiziert. Die gängigen Hilfsmittel hierfür sind die ABC-Analyse (simpel, aber wirkungsvoll) sowie die XYZ-Analyse. Diese Analysen müssen regelmäßig durchgeführt werden, da sich natürlich Veränderungen durch Produktlebenszyklus, Absatzschwankungen etc. ergeben können. Die Beschaffungsprinzipien (produktionssynchron, Vorrat oder Einzelbeschaffung) sind damit ebenso festzulegen wie die Auswahl der Bestellverfahren (Normalbestellung, Rahmenverträge, Abrufpläne). Wichtig ist, dass der administrative Beschaffungsaufwand für die A-Artikel aufgewendet wird und nicht für die C-Artikel.
Ziel-Reichweiten unbedingt festlegen
Ist diese Klassifizierung erfolgt, so ist eine Festlegung von Zielreichweiten (Ziel-RW) und Sicherheitsbestand bzw. Sicherheitszeit notwendig. In der Praxis ist das häufig nicht einfach zu entscheiden, ist aber unbedingt notwendig.
Abb. 3: Reichweiten (RW) in Tagen in Abhängigkeit von der ABC-/XYZ-Analyse (beispielhaft)
Nun sind noch die Ermittlung und Bewertung der Überbestände notwendig. D. h., wie ist die Reichweite im Ist und wo ist das Ziel, also die Sollreichweite (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Vergleich Ist-/Sollreichweiten (beispielhaft)
Für jede Kombination ABC/XYZ sind die Reichweiten im Istzustand (weiß) und im Sollzustand (gelb) angegeben. Rechts ist angegeben, wie viele Materialnummern jeweils subsumiert sind. Nun ist natürlich zu diskutieren, wie insgesamt die Situation zu verbessern ist. Hierfür gibt es in der Literatur sehr anschauliche Vorgehensweisen.