Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Maßgeblich für den LSt-Einbehalt vom laufenden Arbeitslohn bei einer Nettolohnvereinbarung ist der Arbeitslohn, der vermindert um die übernommenen Lohnabzüge den arbeitsvertraglich vereinbarten Nettobetrag ergibt. Damit ist die steuerliche Ausgangsgröße des LSt-Abzugs auch im Fall der Nettolohnabrede ein Bruttobetrag.
2. Ein ESt-Erstattungsanspruch, den der Arbeitnehmer im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung seinem Arbeitgeber abgetreten hat, ist deshalb im Rahmen des LSt-Einbehalts nur durch einen Abzug vom laufenden (Brutto-)Arbeitslohn und nicht durch eine Verminderung des laufenden Nettolohns zu berücksichtigen.
3. Eine Hochrechnung der Steuererstattung auf einen fiktiven Bruttobetrag ist nicht möglich.
Normenkette
§ 38 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1, § 39b Abs. 2 S. 1, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin und ihre Arbeitnehmer hatten Nettolohnvereinbarungen: Die Klägerin zahlte den vereinbarten Nettolohn, übernahm die ESt und erhielt bei ESt-Veranlagungen der Arbeitnehmer die ESt-Erstattungen durch Abtretung. Die Klägerin berücksichtigte die ESt-Erstattungen als negative Einnahmen der Arbeitnehmer so, dass sie in dieser Höhe den laufend ausgezahlten Nettolohn kürzte, den sie ihrer LSt-Anmeldung zugrunde legte.
Das FA verrechnete dagegen die Erstattungen nicht mit dem Netto- sondern mit dem Bruttolohn und erließ einen entsprechenden LSt-Haftungsbescheid.
Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2006, 17 K 4592/04 H[L], Haufe-Index 1527110, EFG 2006, 1429).
Entscheidung
Der BFH folgte aus den in Praxishinweisen dargestellten Erwägungen der Auffassung des FA und der Vorinstanz.
Hinweis
Die Frage im Besprechungsfall lautete: Wie sind bei einer Nettolohnvereinbarung vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber abgetretene ESt-Erstattungen im LSt-Abzugsverfahren zu berücksichtigen? Die Klägerin minderte den Nettolohn, das FA, FG und auch der BFH minderten dagegen den Bruttoarbeitslohn.
1. Der BFH stellt zunächst klar, was Nettolohnvereinbarung bedeutet: Weil zum Lohn alle dem Arbeitnehmer zufließenden Vorteile gehören, rechnet dazu auch die LSt, die der Arbeitgeber übernimmt. Deshalb ist für den LSt-Abzug auch bei der Nettolohnabrede der Bruttobetrag maßgebend (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG i.V.m. § 39b Abs. 2 und 3 EStG). In Anwendung dieses Grundsatzes hatte das FA nicht zuungunsten der Klägerin gerechnet; es hatte die Steuererstattungen nicht als Werbungskosten, sondern als negative Einnahmen (ohne Anrechnung auf den Arbeitnehmerpauschbetrag, § 9a S. 1 Nr. 1 EStG) vom Bruttolohn abgezogen und auch die LSt gemindert, obwohl auf den LSt-Karten nichts eingetragen war (§ 39b Abs. 2 S. 2, 3 EStG). Da das jeweils zugunsten der Klägerin wirkt, ließ der BFH dahinstehen, ob dies der Rechtslage entspricht. Weiter gilt das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG); entscheidend ist also das Jahr, in dem das FA an den Arbeitgeber erstattet. Der Höhe nach ist der Rückzahlungsbetrag anzusetzen, nämlich der an den Arbeitgeber ausgekehrte tatsächliche Erstattungsbetrag. Nur das ist beim Arbeitnehmer ab- und beim Arbeitgeber zugeflossen.
2. Damit wurde auch kein höherer Nettolohn als arbeitsvertraglich vereinbart geleistet. Denn es wird nicht der laufende Arbeitslohn korrigiert, sondern eine in der Nettolohnabrede strukturell angelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- bzw. Steuerüberzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgeglichen. Gerade deshalb hat sich die Klägerin die ESt-Erstattungsansprüche abtreten lassen. Ungekürzte Auszahlung des monatlichen Nettolohns und Rückzahlung von im Vorjahr vereinnahmter Gehaltsüberzahlung sind zweierlei. Sollte dem Arbeitnehmer die ESt-Erstattung unter Anrechnung auf den laufenden Nettolohn verbleiben, wäre eine Kürzung des Nettogehalts vereinbart. Es gilt aber der Grundgedanke der Nettolohnvereinbarung, dass nämlich der Nettolohn monatlich als konstante Größe geschuldet und ausgezahlt wird. Der Rest ist Arbeitslohnkorrektur (dazu auch OFD Düsseldorf, Vfg. vom 15.03.2001, S 2367 A St 22, S 2367 A St 221).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.07.2009 – VI R 29/06