Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Der GmbH-Geschäftsführer haftet für den Lohnsteuerausfall, der dadurch entsteht, dass die GmbH die auf Lohnzahlungen entfallenden Steuern nicht an das Finanzamt abführen kann, weil sie sich bereits im Lohnzahlungszeitpunkt in Zahlungsschwierigkeiten befindet. Die Löhne dürfen nur insoweit ausgezahlt werden, als auch die diese betreffenen Steuern gezahlt werden können. Der Erlass eines Haftungsbescheids ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das vorhandene Guthaben auf dem Konto der GmbH auf Grund der amtsgerichtlichen Einstellung aller Vollstreckungsmaßnahmen gesperrt war und der vorherige Einziehungsversuch per Verfügung keinen Erfolg hatte.
Sachverhalt
Der Kläger war einer der beiden Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im Mai 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde. Bereits im Februar bestanden Steuerrückstände von mehr als 60.000 DM, für die das Finanzamt eine erfolglose Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen hatte. Einige Tage später wurde die Einstellung aller Vollstreckungsmaßnahmen gegen die GmbH durch das zuständige Amtsgericht angeordnet. Das sich auf dem Konto der GmbH befindliche Guthaben wurde im April vom Sequestor eingezogen. Bezüglich der rückständigen Lohnsteuer und der Annexsteuern erließ das Finanzamt sodann einen Haftungsbescheid gegen den Kläger. In seinem Einspruch gegen den Haftungsbescheid beantragte der Kläger dessen Aufhebung und beanstandete die Nichteinziehung des Guthabens durch das Finanzamt. Der Kläger wies ein Verschulden seinerseits zurück. Das Finanzamt konstatierte die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides, so dass der Einspruch erfolglos war.
Entscheidung
Das FG folgte der Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage als unbegründet ab. Als Geschäftsführer der GmbH ist der Kläger für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten, insbesondere für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, verantwortlich. Da der Kläger dieser Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist und eine Verfügungsmöglichkeit über das Guthaben auf dem Konto der GmbH nach der amtsgerichtlichen Einstellung aller Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr bestand, konnte das Finanzamt den Kläger durch einen Haftungsbescheid in Anspruch nehmen. Der Kläger hätte die Löhne nicht in voller Höhe auszahlen dürfen, denn im Lohnzahlungszeitpunkt war die Liquidität der GmbH bereits angegriffen, so dass nur noch gekürzte Lohnzahlungen hätten vorgenommen werden dürfen, um den steuerlichen Pflichten gegenüber dem Finanzamt gerecht zu werden.
Hinweis
Als gesetzliche Vertreter haften Geschäftsführer einer GmbH bei schuldhafter steuerlicher Pflichtverletzung. Die Lohnsteuereinbehaltungs- und -abführungspflicht wird nur dann ordnungsgemäß erfüllt, wenn bei Zahlungsschwierigkeiten der GmbH gekürzte Lohnzahlungen erfolgen, so dass die darauf entfallenden Steuerbeträge an das Finanzamt gezahlt werden können. Die volle Lohnauszahlung stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung dar, die zur Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch einen Haftungsbescheid führt.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.04.2003, 4 K 10227/99