Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Weigerung zur Stellung eines formularmäßigen Rentenantrag. kein Entfallen des Krankengeldanspruchs. Vorliegen der Fiktion des § 116 Abs 2 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Die Weigerung eines in der GKV Versicherten, einen formularmäßigen Rentenantrag zu stellen, löst nicht die Rechtsfolge des § 51 Abs 3 SGB V aus, wenn ein Rentenantrag aufgrund der Fiktion des § 116 Abs 2 SGB VI vorliegt und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie der Eintritt des Leistungsfalles geklärt sind und der Rentenversicherungsträger daher ohne weiteres in der Lage wäre, einen Rentenbescheid, ggf. mit vorläufiger Regelung der Rentenhöhe, zu erlassen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.05.2015 und der Bescheid der Beklagten vom 06.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2013 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 26.04. bis 09.08.2013 zu zahlen.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 26.04.2013 bis 09.08.2013.
Der 1954 geborene Kläger (GdB 60) ist als Maschinenführer (Metallverformer) versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten nach § 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gesetzlich krankenversichert.
Am 05.10.2012 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig an einer chronisch-obstruktiven Lungen- sowie an einer Herzerkrankung. Nach Beendigung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gewährte die Beklagte dem Kläger ab 16.11.2012 Krankengeld.
Am 03.12.2012 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). In der Stellungnahme vom 13.12.2012 führte Dr. H. aus, beim Kläger liege eine dilatative Kardiomyopathie und Diabetes mellitus vor. Außerdem leide er an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Schon bei geringer körperlicher Belastung komme es zu anhaltender Atemnot. Zwischenzeitlich sei auch eine primär prophylaktische Implantation eines ICD-Aggregats vorgenommen worden. Die gegenwärtig als körperlich schwer einzustufende Tätigkeit sei dauerhaft nicht mehr leidensgerecht, sodass Arbeitsunfähigkeit auf Dauer vorliege. Damit liege zugleich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor; die Voraussetzungen des § 51 SGB V seien erfüllt. Die Einschätzung des Hausarztes des Klägers, wonach eine Wiederaufnahme der bislang verrichteten Tätigkeit Anfang Dezember 2012 möglich sein sollte, sei nicht plausibel.
Mit Schreiben vom 17.12.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Rücknahme des Reha-Antrags und andere, im Einzelnen aufgeführte Rechtshandlungen bedürften ihrer Zustimmung. Der Krankengeldanspruch könne ab 01.03.2013 rückwirkend entfallen, wenn er eine zustimmungspflichtige Erklärung gegenüber dem Rentenversicherungsträger ohne ihre Zustimmung abgebe.
Mit Bescheid vom 29.01.2013 lehnte die DRV den Reha-Antrag ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers könne durch medizinische Rehabilitationsleistungen nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Der Reha-Antrag gelte als Rentenantrag. Der Kläger möge einen förmlichen Rentenantrag stellen.
Mit weiterem Schreiben vom 29.01.2013 teilte die DRV dem Kläger mit, die beantragten Teilhabeleistungen seien nicht erfolgversprechend, da seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch die beantragte Leistung zu Teilhabe nicht wesentlich verbessert oder wiederhergestellt werden könne. Nach ihren Feststellungen liege volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 05.10.2012 vor. Die Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer werde von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die jeweilige Rente erfüllt seien. Das gelte jedoch nur dann, wenn der Rentenantrag rechtzeitig, dh bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, gestellt werde. Erfolge die Antragstellung nach Ablauf dieser Frist, beginne die Rente aus eigener Versicherung am 01. des Antragsmonats. Der Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen gelte als Rentenantrag. Der Kläger möge, sein Einverständnis vorausgesetzt, sobald wie möglich (bis 28.02.2013) einen formellen Rentenantrag stellen bzw einen Termin zur Antragsaufnahme vereinbaren. Als Antragsdatum möge er den 03.12.2012 eintragen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab 01.11.2012 seien erfüllt. In einer dem Schreiben beigefügten weiteren Anlage seien Fehlzeiten aufgeführt. Sofern in diesen Zeiten Beitrags-, Beschäftigungs- oder Anrechnungszeiten zurückgelegt worden seien, möge der Kläger Nachweise hierüber vorlegen. Der Kläger sei zur Mitwirkung verpflichtet und müsse für die notwendigen Angaben die einschlägigen Vordrucke benutzen....